5. Erwartungen der Wirtschaft an die Politik: mehr Perspektive, mehr Verlässlichkeit, weniger Bürokratie und Mobilität als Reaktion auf Entwicklungen in Energiewirtschaft und -politik
Die Unternehmen haben konkrete Erwartungen an die Politik, was in Zukunft aus ihrer Sicht besser laufen muss. Ganz oben auf der Agenda werden hierbei unter anderem konkrete Verbesserungen in Hinblick auf die Rahmenbedingungen für Eigenversorgung
und Direktlieferverträge genannt. Dies ist Ausdruck des großen Interesses, klimaneutral und unabhängig von schwankenden Marktpreisen zu wirtschaften. Es zeigt aber auch den Wunsch, die Chancen der Energiewende zu nutzen und unabhängiger von politischen
Entscheidungen zu werden.
Weitere drei Themen finden explizite Zustimmung von rund 80 Prozent der Unternehmen:
- Wirtschaftlichkeit, Freiwilligkeit und Technologieoffenheit sollten die Leitprinzipien für Energieeffizienzmaßnahmen sein,
- Engpässe bei Übertragungs- und Verteilnetzen sind ein zunehmendes Problem, welches durch eine stabile Energieversorgung gelöst werden muss, und
- Steuern und Abgaben auf den Strompreis sollten weiter gesenkt werden.
Auffällig sind zwei weitere Änderungen gegenüber dem Vorjahr: Die Zustimmung zu einer einheitlichen Strompreiszone hat deutlich zugenommen und die Zustimmung zum Emissionshandel hat eher abgenommen.
Zu den politischen Maßnahmen im Einzelnen:
5.1 Energieeffizienz
Fast 85 Prozent aller Unternehmen in Bayern fordern inzwischen, dass Wirtschaftlichkeit, Freiwilligkeit und Technologieoffenheit die Leitprinzipien für Energieeffizienzmaßnahmen sein sollten (Abb. 10). Freiwilligkeit sollte vor Detailregelung gehen.
Davon ist die Bundesregierung mit dem Energieeffizienzgesetz weit entfernt. Auch das neue Wachstumspaket der Bundesregierung enthält hierzu keine Erleichterungen.
Eine Unternehmerstimme dazu:
„Der Wille zur Vermeidung von CO2-Emissionen ist bei den meisten Unternehmen vorhanden. Zur Erreichung der Ziele sollten Empfehlungen im Gesetz genügen.“
5.2 Strom
Eigenversorgung:
Verbesserungen bei Strom-Eigenversorgung und Direktlieferverträgen werden für alle Unternehmen in Bayern immer wichtiger. Die aktuellen Beschlüsse der Bundesregierung in der Wachstumsinitiative setzen bei den erneuerbaren Energien mehr auf Investitionsförderung und Vermarktung. Das ist ein erster richtiger Ansatz.
Netze:
Wie schon eine DIHK-Kurzumfrage „Betriebe verzeichnen hohe Zahl an Stromunterbrechungen (dihk.de)“ aus dem Frühjahr 2024 gezeigt hat, erleben viele Betriebe Probleme durch Stromunterbrechungen. Die Stabilität der Energieversorgung wird im diesjährigen Energiewende-Barometer von 85 Prozent der bayerischen Unternehmen als wichtig angesehen. Eine zunehmende Bedeutung einer stabilen Energieversorgung kommt dadurch mehr als deutlich zum Ausdruck (Abb. 12).
Ein Unternehmen dazu:
„Stabilität in der Energieversorgung muss oberste Priorität haben, noch vor den Kosten. Ohne Strom funktioniert nichts.“
Mehr erneuerbare Energie bedeutet mehr Netzbelastung, wenn der Netzausbau nicht Schritt hält. Und auch sensiblere Technik bedeutet mehr Anfälligkeit für Netzschwankungen. Die Bundesregierung muss darauf reagieren. Nach dem Abschalten der letzten Kernkraftwerke und dem geplanten Ausstieg aus der Kohle wird das Thema Versorgungssicherheit in Hinblick auf eine stabile Stromversorgung immer größer. Allerdings dürfte es mit Abschaltung von weiteren Kraftwerken immer schwieriger werden, diese zu gewährleisten.
Steuern und Abgaben:
Branchenübergreifend plädieren Unternehmen dafür, Steuern und Abgaben auf den Strompreis zu senken. Zwar wurde die Stromsteuer für die Industrie gesenkt, aber das reicht noch nicht aus. Die Entlastung muss deshalb branchenunabhängig und somit für alle gelten.
Dass die Bundesregierung in ihrem Maßnahmenpaket zum Haushalt Maßnahmen zur Stabilisierung der Netzentgelte ankündigt, ist richtig; dass sie die Stromsteuersenkung für das produzierende Gewerbe dauerhaft verlängern will, schafft Verlässlichkeit. Dass Handel und Dienstleistung weiterhin ausgeschlossen sind, bleibt problematisch.
Strompreiszone:
Der deutsche Strommarkt ist als ein Strommarktgebiet bzw. eine Gebotszone gemeinsam mit Luxemburg organisiert. In dieser Zone gilt ein einheitlicher Strompreis, der sich über Angebot und Nachfrage bildet. Eine Aufteilung des Strommarkts kann negative Auswirkungen auf die Energiewirtschaft und die Industrie haben, insbesondere für stromintensive Unternehmen. Bereits die Ankündigung einer solchen Teilung würde die Investitionssicherheit und damit die Investitionsbereitschaft der Industrie, sowie den Ausbau der Erneuerbaren im Norden Deutschlands massiv einbrechen lassen. Auch in der diesjährigen Umfrage fordern gut zwei Drittel der bayerischen Unternehmen einen Erhalt der Strompreiszone.
Um die Wichtigkeit der Thematik noch weiter zu verdeutlichen, wurde ein gemeinsames Papier von den anderen bayerischen IHKs, sowie darüber hinaus mit den IHKs in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Saarland, den Übertragungsnetzbetreibern Amprion und TransnetBW aufgesetzt. Das Papier sowie das IHK-Positionspapier „Erhalt der deutschen Stromgebotszone“ finden Sie auf der Homepage der IHK-München.
5.3 Wasserstoff
Zugang zu Wasserstoff:
Der Zugang zu Wasserstoff als Energieträger ist in allen Regionen und allen Branchen von hoher Bedeutung. Fast 58 Prozent der Unternehmen fordern Planungssicherheit. Im letzten Jahr lag der Wert bei ca. 55 Prozent (Abb. 15).
Ein zentraler Punkt beim Thema Wasserstoffversorgung sind die hohen Kosten. Die dezentrale Wasserstofferzeugung am Betriebsgelände ist teuer und für viele Unternehmen ohne staatliche Unterstützung finanziell nicht tragbar. Die (auch in der Zukunft) hohen Preise machen Wasserstoff wenig wettbewerbsfähig, insbesondere für Unternehmen, die energieintensiv sind. Hier ist die Politik gefragt, um bezahlbare Lösungen zu schaffen.
5.4 Klimastrategie und Treibhausgasbilanzierung
CO2-Abscheidung, -Nutzung und -Speicherung
Besonders in der Bauindustrie, aber auch in den energieintensiven Branchen wie Glas, Chemie und Stahl, wird eine breite CO2-Abscheidung, -Nutzung und -Speicherung (Carbon Capture and Utilization / Storage, CCU/S) als notwendig angesehen. Dies ist nachvollziehbar, denn bei der Zementherstellung fallen im Herstellungsprozess große Mengen unvermeidbarer CO2-Emissionen an, sodass der Betrieb nur durch Abspaltung und Speicherung klimaneutral werden kann. Bisher ist in Deutschland in der Carbon- Management-Strategie nur die Speicherung in tiefen geologischen Schichten unter dem Meeresboden der Nordsee vorgesehen, es sei denn, die Bundesländer beschließen für sich eine Speicherung an Land. Das gibt zu wenig Rechtssicherheit für die emissionsintensive Industrie. Auch in der Breite der Wirtschaft stimmt über die Hälfte der Unternehmen dafür, eine CO2-Nutzung möglich zu machen.
Vereinzelte kritische Stimmen halten sowohl die Wasserstoff- als auch die CCU/S-Technologie für noch zu teuer, so ein Industrieunternehmen:
„Ich halte Wasserstoffenergie und CCS/CCU für zu teure Irrwege, wenn es keinen internationalen Konsens zu Verwendung und Kosten gibt.“
Emissionshandel:
Eine deutlich gestiegene Ablehnung erhält bei den politischen Forderungen der weitere Ausbau des Emissionshandels, derzeit geplant als Rücknahme der freien Zuteilung und Verknappung der Zertifikate beim europäischen Emissionshandelssystem 1 sowie als Einbeziehung weiterer Sektoren beim Emissionshandel 2.
Die Befürchtung der Unternehmen geht dahin, dass der Ausbau des europäischen Emissionshandels zu einer Belastung in den energieintensiven Branchen und der Übergang in den Emissionshandel 2 für Transport und Wärme zu steigenden Preisen für fossile Energie in alle Branchen führen wird. Auch wenn ein Ausbau des CO2- Grenzausgleichsmechanismus CBAM die Wettbewerbssituation zwischen der EU und dem Drittland teilweise ausgleichen kann, sind viele Unternehmen skeptisch.
EinIndustrieunternehmen formuliert es so:
„Wir stehen im internationalen Wettbewerb. Die Diskussion über den CO2-Preis springt zu kurz. Wenn die Einhaltung der Klimaziele bedeutet, dass unsere Chemie- und Schwerindustrie verschwindet und die CO2-intensiven Vorprodukte aus Drittländern bezogen werden, ohne dass dort gleichermaßen Klimaschutz betrieben wird, dann hilft uns das nicht weiter.“
Hier sind vor allem die Europäische Kommission, aber auch Deutschland über den Europäischen Rat und das Europäische Parlament gefragt: Der Emissionshandel ist ein zentrales klimapolitisches Instrument. Die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie muss dabei erhalten bleiben.
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