Frau Von Daniels, wie groß ist die Unsicherheit nach dem Schock des Wahlsiegs von Donald Trump?
Das Interesse an dem Thema ist unglaublich groß. Ich musste in den vergangenen Wochen tatsächlich sehr viel darüber reden. Wobei, nüchtern betrachtet, das gar nicht so überraschend kam.
War die Kandidatin der Demokraten, Kamala Harris, nicht überzeugend genug?
Ich glaube nicht, dass die Wahl für die Demokraten erst in den vergangenen sechs Monaten verloren ging. Der Prozess fing viel früher an – schon unter der Präsidentschaft Barack Obamas. Ich habe selbst in den USA erlebt, wie Hass und Rassismus gewachsen sind. Ein Schwarzer im Weißen Haus! In Deutschland kann man sich das kaum vorstellen: Aber das empfanden viele weiße US-Bürger als Bedrohung. Dagegen haben die Demokraten nie ein Mittel gefunden. Im Wahlkampf von Hillary Clinton hat auch Frauenfeindlichkeit eine große Rolle gespielt. Harris hatte mit beiden Phänomenen zu kämpfen.
Trump ist, nach allem was man von ihm weiß, in Risiko für die Wirtschaft auf beiden Seiten des Atlantiks. Warum haben US-Unternehmen sich nicht stärker gegen Trump gewehrt?
Mein Eindruck im Verlauf dieses Jahres ist, dass es diese Sorgen in der US-Wirtschaft gab. Natürlich in erster Linie bei Unternehmen, die im transatlantischen Bereich aktiv sind. Diese Warnungen findet man auch in Aussagen der U.S. Chamber of Commerce (Handelskammer AmCham). Die blickten kritisch darauf, was eine zweite Präsidentschaft Trumps bedeuten würde.
Wir ahnen es, fragen aber trotzdem: Was rollt da auf uns zu?
Sicher ist, dass Trump in vielen Bereichen mit der Politik Bidens brechen wird. Er wird den "enemy within" bekämpfen, also die Kräfte in der Justiz und Staatsverwaltung, die ihn während seiner ersten Amtszeit behindert haben. Trump hat oft genug erklärt, dass er nichts von der EU hält. Er wird versuchen, Europa zu spalten und für seinen Kampf gegen China zu benutzen. Trump weiß, wie er uns unter Druck setzen kann - mit Zöllen oder dem Exportstopp von LNG.
Dient das auch dem Interesse des Trump-Freunds von Elon Musk?
Nicht nur Elon Musk hat Trump finanziell maßgeblich unterstützt. Eine ganze Gruppe von Milliardären hat sich hinter Trump gestellt. Einen großen Effekt hatte vermutlich auch, dass viele der traditionell liberal und pro-demokratisch eingestellten Unternehmen im Silicon Valley umgefallen sind. Die Tech-Firmen haben sich Trump zugewandt.
Was erwarten die sich von Trump?
Die bauen auf Trumps große Versprechungen: Steuervorteile, Deregulierung. Musk und die Betreiber der großen Online-Plattformen mögen es nicht, dass die EU versucht, die Macht der amerikanischen IT-Konzerne zu begrenzen – und für mehr Fairneß in der digitalen Welt zu sorgen. Trump dürfte versuchen, den Digital Markets Act oder den Digital Services Act der EU zu schwächen oder auszuhebeln. Er wird nicht hinnehmen, dass für US-Unternehmen, die auf dem europäischem Markt aktiv sind, auch europäische Standards gelten. Er könnte auch bei dem Punkt mit Strafzöllen drohen.
Die Zölle gelten doch aber nur für den Warenverkehr.
Das ist Trump-typisch. Er verknüpft völlig unterschiedliche Bereiche. Wenn die EU die Arbeit von US-Konzernen reguliert, droht Trump möglicherweise auch, die US-Unterstützung der NATOinfrage zu stellen. Darauf müssen wir uns einstellen.
In Ihrem Vortrag haben Sie insbesondere vor den Folgen der Trumpschen Handelspolitik gewarnt.
Ja, das ist in der Tat besorgniserregend. Da kommt es dann darauf an, wie Europa und China reagieren. Im schlimmsten Fall könnte das eine Sanktionsspirale in Gang setzen. Für Unternehmen, die weltweit aktiv sind, wäre das ein Dilemma. Egal, was sie tun, rutschen sie in eine chinesische, europäische oder amerikanische Vergeltungsmaßnahme rein.
Das Autoland Bayern hat das Pech, dass Trump sich für diese Branche besonders interessiert. Wie geht man damit um?
Ich glaube dass es ganz wichtig sein wird, dass die EU-Staaten zu einer gemeinsamen Linie kommen. Nationale Alleingänge waren für Europa nie gut. Unter Trump sind sie besonders riskant. Das haben wir während seiner ersten Präsidentschaft gesehen. Nach dem Rückzug der USA aus dem JCPoA-Abkommen (Die Wiener Nuklearvereinbarung, die den Konflikt um das iranische Atomprogramm lösen sollte, die Red.) hat Frankreich versucht, von den USA Sonderkonditonen für das Iran-Geschäft französischer Energieunternhemen zu bekommen. Das ist komplett gescheitert.
Es heißt aber, man könnte mit Trump gute Deals machen. Das hätte die deutsche Autoindustrie vor Strafzöllen gerettet.
Das haben wir der Initiative Jean-Claude Junckers zu verdanken. Der ist als damaliger Präsident der EU-Kommission nach Washington geflogen. Juncker hat die vernünftigen Kräfte in der Trump-Regierung davon überzeugt, dass es sich bei der EU um Verbündete handelt – und ein Handelskrieg mit Europa auch den USA schadet. Trump wurde dann von seiner eigenen Administration umgestimmt.
Heute wären Strafzölle noch gefährlicher. Die Autoindustrie schwächelt schwer.
Wenn Deutschland bei der Autoindustrie so verwundbar ist, braucht es die Unterstützung von den EU-Partnern. Das wird nicht einfach. Deutschland hat sich in jüngster Zeit nicht sehr pro-europäisch verhalten. Bei den Einfuhrzöllen für Elektro-Fahrzeuge aus China hat sich das gut gezeigt. Wir sind da als EU-Mitgliedsstaat ausgeschert und haben gegen die Zoll-Vorschläge der Europäischen Kommission gestimmt. Da muss von der deutschen Regierung erst mal wieder Vertrauen aufgebaut werden.
Noch-Außenministerin Annalena Baerbock hat im Bundestag gesagt, die Antwort auf "America first" könne nur ein "Europa United" sein. Hat Sie damit recht?
Ja, absolut. Das sehen wir in allen Bereichen, die für uns besonders relevant sind. Trump lässt uns keine andere Wahl: Auch bei Sicherheit und Verteidigung müssen wir europäisch denken und handeln. Von Trumps Handelspolitik wird die Bundesrepublik besonders betroffen sein. Wenn wir uns wehren wollen, brauchen wir die Verhandlungsmacht der gesamten EU. Effektive Gegenmaßnahmen sind nur möglich auf Basis europäischer Beschlüsse.
Was hat Trump im Konflikt mit China vor?
Der Druck aus Washington auf uns wird wachsen. Die USA erwarten, dass wir Instrumente wie Exportkontrollen, Investitionskontrollen und Sanktionen gegen China einsetzen. Da wird es ganz wichtig sein, sich europäisch abzustimmen. Die EU muss wissen, wo ihre roten Linien liegen. Solche Maßnahmen könnten auch im europäischen Interesse sein, weil China immer aggressiver auf dem Weltmarkt auftritt.
Was erhoffen Sie sich von der neuen Bundesregierung?
Ich hoffe, dass wir vom Frühjahr 2025 an wieder eine handlungsfähige Regierung haben, die eine solide Mehrheit im Bundestag hat. Für ganz wichtig halte ich auch, dass diese Regierung in der EU wieder eine Führungsposition einnimmt und eine klare Vorstellung davon hat, wie sie das europäische Projekt vorantreiben will.
Wie könnte man in dieses Projekt wieder Schwung bringen?
Das funktioniert nur über einen Interessenausgleich zwischen Deutschland und Frankreich. Das könnte zum Beispiel so aussehen: Deutschland trägt EU-Schutzzölle gegenüber China in der E-Mobilität und bei Solar-Panels mit. Frankreich gibt trotz Bauernproteste seinen Widerstand gegen das Freihandelsabkommen mit den Mercosur-Staaten auf.
Trump scheint fixiert zu sein auf die Konzerne. Laufen unsere Mittelständler unter seinem Radar?
Ich habe immer wieder von Mittelständlern in den USA gehört, dass sie sich weniger beeinträchtigt fühlen als Großunternehmen. Ob das so bleibt, ist fraglich. Zölle oder verschärfte Rules of Origin (Regeln, die klären, aus welchem Land eine Ware stammt) könnten die Produktion erheblich verteuern. Man muss das immer in diesem Dreieck sehen aus USA, China und Europa.
Da haben dann die Konzerne sicher Vorteile.
Stimmt, da gehen die Interessen von Konzernen und Mittelständlern immer mehr auseinander. Die Großunternhemen haben sich abgesichert, in dem sie immer mehr Produktion nach China verlagert haben. Dort fühlen sie sich sicher vor Zwangsmaßnahmen der USA. Der Mittelstand in Deutschland leidet hingegen immer stärker unter chinesischer Konkurrenz. Die Bundesregierung muss da einen besseren Interessenausgleich schaffen. In den vergangenen Jahren hat sich Berlin vor allem um große Automobilhersteller und die chemische Industrie gekümmert.
Im Großraum München sitzen einige US-Topunternehmen. Werden die auch den Druck Trumps spüren?
Das ist schwer abzuschätzen. Das hängt davon ab, wie die EU auf Trumps Zölle reagiert. Es ist denkbar, dass die US-Regierung Beschränkungen für Investitionen von US-Unternehmen nach China verhängt. Die würden dann auch die in München tätigen US-Konzerne treffen.
Trump will Millionen Menschen abschieben. Trauen Sie ihm zu, dass er das wahr macht?
Trump hat im Hochschulbereich schon in seiner ersten Präsidentschaft starke Restriktionen bei der Stellenbesetzung eingeführt. Es ist also nicht ausgeschlossen, dass er das zumindest teilweise umsetzt. Wenn man Millionen Arbeitskräfte abschiebt, sind nicht nur die menschlichen Folgen dramatisch. Das kann die Produktionskosten steigern und zu höherer Inflation führen.
Glauben Sie, dass das die US-Wirtschaft wirklich mitmacht?
Es ist zu erwarten, dass zumindest aus Teilen der US-Wirtschaft Druck auf Trump ausgeübt wird, um diese Pläne zu entschärfen. Vor allem dann, wenn es um Visa-Beschränkungen für Hochqualifizierte geht. Die Unternehmen wägen momentan einfach ab, welche Vorteile Trump bietet: weniger Steuern, Deregulierung, noch mehr Öl-Bohren und Fracking. Das sind starke Argumente.
Zu den Nachteilen gehört aber wohl fehlende Planungssicherheit.
Ja, wir wissen, dass er sehr kurzfristig seine Meinung ändern kann. Das hat sich auch gezeigt in seiner China-Politik. Erst exorbitant hohe Zölle und Sanktionen gegenüber einzelnen Personen in China, dann wieder Lockerungen. Er wollte TikTok in den USA verbieten, hat aber zuletzt nicht mehr darüber geredet.
Was raten Sie bayerischen Unternehmen, die in den USA aktiv sind: Abwarten oder gleich einen Standort in Europa suchen?
Es nie gut, panikartig seine Investitionen zu gefährden. Zweitens würde ich mich kundig machen, was auf Ebene des jeweiligen Bundesstaates läuft und den Kontakt zum Gouverneur suchen. Dadurch bekommt man ein Gespür, wohin sich das Ganze entwickelt. Washington ist eine Sache, aber die Bundesstaaten haben große Bedeutung in den USA. Die machen zum Beispiel im Klimaschutz eine sehr eigenständige Politik.
Baden-Württemberg und Kalifornien haben da eine Kooperation …
Ja, genau. Selbst Bundesstaaten, von denen es man nicht geglaubt hätte, fahren einen progressiven Kurs. Texas etwa liegt nicht nur bei der fossilen Energieproduktion im US-Vergleich weit vorne. Texas liegt auch bei Wind und Solar fast gleichauf mit Kalifornien.
Gehen Sie davon aus, dass die USA für Bayerns Unternehmer ein Schlüsselmarkt bleiben werden?
Langfristig ja. Aber man muss schon klar sehen, was mit Trump auf uns zukommt. Er hat die Macht und die rechtlichen Mittel, um Unternehmen, die in die USA exportieren, sehr stark unter Druck zu setzen. Und wenn sich die Bundesregierung nicht so verhält, wie Trump das will, könnte er auch deutschen Firmen, die in den USA produzieren, das Leben sehr, sehr schwer machen.