Was könnte man tun, um diese im Land zu halten?
In den USA gilt für energieintensive Nutzungen teilweise ein Strompreis noch unter dem französischen Industrietarif von 4 Cent. Unternehmen bekommen dazu einen langfristigen Zehn-Jahres-Vertrag. Das ist unvergleichlich attraktiver als alles, was wir hier insbesondere in Deutschland haben.
Was halten Sie von dem Plan der Bundesregierung, einen Industriestrompreis einzuführen?
Herr Habeck diskutiert über einen Energietarif von 6 Cent. Aber damit liegen wir immer noch über dem Preisniveau, das wir vorher hatten. Der Industriestrompreis wäre dann ein gutes Instrument, wenn es diesen Tarif für alle Unternehmen gäbe. Die Bundesregierung will das aber nur für wenige Unternehmen mit einem komplizierten System der Zuteilung und Konditionierung einführen. Da bleiben wieder viele Unternehmen auf der Strecke. Als IHK-Organisation müssen wir uns für eine bessere Alternative einsetzen, weil wir die Unternehmen in der Breite vertreten - kleine, mittlere und große mit unterschiedlich hohem, aber alle eben mit Bedarf an stabilem und bezahlbarem Strom.
Wie hoch schätzen Sie die Chancen, bei dem Thema noch zu Verbesserungen zu kommen?
Das ist jedenfalls nicht zu Ende diskutiert und wir führen hier weiter intensive Gespräche. Ein guter Ansatzpunkt ist die inzwischen in der Bundesregierung gereifte Erkenntnis, dass beim Strompreis etwas getan werden muss. Wir versuchen alles, um eine gute Lösung zu erzielen.
Auch auf das Problem Fachkräftemangel hat die Bundesregierung reagiert. Was bringt uns die erleichterte Zuwanderung?
Die geplanten Erleichterungen im Fachkräfteeinwanderungsgesetz sind sinnvoll. Wir haben dadurch bessere Möglichkeiten, an Fachkräfte aus anderen Ländern zu kommen. Unser Problem ist aber: Es hapert in der praktischen Umsetzung und wir haben nach wie vor keine Willkommenskultur.
Was verstehen Sie darunter?
Es wird Fachkräften häufig schwer gemacht, nach Deutschland zu kommen. Wenn sie nach Deutschland kommen wollen, haben sie oft Verfahren von vielen Monaten vor sich, um ein Visum zu bekommen. Für diese Prozesse fehlen digitale Strukturen, um sie zu erleichtern und zu beschleunigen.
Wo klemmt es denn da? Fehlen die nötigen PCs?
Ich habe mit Botschaftern in afrikanischen Ländern gesprochen. Die sagen mir, ihre Mitarbeiter bearbeiten die Einreise-Anträge waschkörbeweise, die müssen Formulare handschriftlich ausfüllen. Weil die Botschaften zu wenig Personal haben, setzen sich mancherorts die Botschafter am Wochenende selbst hin, um Anträge zu bearbeiten.
Hat die Bundesregierung die schnellere Visa-Vergabe nicht längst zugesagt?
Das Online-Zugangsgesetz sollte bis Ende 2022 umgesetzt sein und unter anderem auch die Beantragung von Aufenthaltstiteln beinhalten. Leider sind wir aber von einer Flächendeckung weit entfernt. Die seit Jahren zu langsame Geschwindigkeit bei der Verwaltungsdigitalisierung ist ein schwieriges Thema. Auch bei der besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf haben wir Nachholbedarf. Der gesetzliche Anspruch auf Kinderbetreuung kann nicht erfüllt werden, solange das Angebot viel niedriger ist als die Nachfrage. Und die Angebote unserer Kitas müssen gerade in den Randzeiten flexibler sein.