Klingt super, nur ist Bayerns Industrie derzeit mehr mit der Gegenwart beschäftigt. Sie bangt um ihre Wettbewerbsfähigkeit.
Der Ausbau der Erneuerbaren bringt uns doch einen gigantischen Wettbewerbsvorteil. Wir sparen uns Hunderte von Milliarden ein, weil wir kein Gas, Kohle und Öl mehr brauchen. Alle Kosten, die wir dann noch haben, dienen der Wertschöpfung im eigenen Land.
Wie wollen Sie Betriebe für den Aufbruch begeistern, die Angst vor ihren Stromrechnungen haben?
Wir müssen deshalb einen grünen Industriestrom einführen. Darüber habe ich mit Habeck schon gesprochen. Die Idee: Grüner Industriestrom soll weitestgehend von Abgaben und Steuern befreit werden, wenn er wirklich aus erneuerbaren Quellen kommt und direkt vom Unternehmen bezogen wird. Das schafft für Unternehmen auch einen starken Anreiz, sich an einem Windrad zu beteiligen. Windräder können auf 20 Jahre hinaus für 4 bis 6 Cent Strom produzieren. Das ist ein absolut wettbewerbsfähiger Preis.
Wenn es die Netze gibt, um den Strom zu transportieren.
Ja, das ist der Punkt. Unsere Schwachstelle ist das Stromnetz. Wenn man sich die Berichte der Bundesnetzagentur anschaut, waren die jüngsten Winter immer auf Kante genäht. Dass wir auf der Ebene der Verteilernetze auch noch nicht weiter sind, liegt an einem Fehler von Ex-Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU): Netzbetreiber dürfen einen vorausschauenden Netzausbau nicht abrechnen.
Lässt sich das ändern?
In Berlin wird gerade diskutiert, wie man das vernünftig regeln könnte. Was wir brauchen, ist ein Signal an die Netzbetreiber: Wenn die erste Windanlage kommt, legt Ihr bitte das Netz gleich so aus, dass es selbst dann ausreicht, wenn die Fläche mit Anlagen komplett zugepflastert ist. Das spart Zeit und Geld, weil die Tiefbaukosten hoch sind, und der Personalmangel Bauzeiten in die Länge zieht. Wir sollten uns zudem überlegen, ob wir die Zuständigkeit der Stromnetze nicht irgendwann einer staatlichen Infrastruktur AG übertragen, weil das dann einfacher zu planen ist als bei vier Übertragungsnetzbetreibern
Was halten Sie von dem Einwand, das könnte unbezahlbar werden.
Wir müssen da groß denken, das ist gut angelegtes Geld. Irgendwann kann uns der Sonnenstrom aus Portugal helfen, unsere Spitzen abzudecken. Über das Netz fließt nicht nur Windstrom aus dem Norden nach Bayern, es geht auch umgekehrt: Wir können überschüssigen Solarstrom aus Bayern an die Küste liefern, wenn dort mal Flaute herrscht. Wenn der dann nach Polen weitergeht und dort ein Kohlekraftwerk verdrängt, dann ist das doch gut so. Wir verdienen was, müssen nicht abregeln und schützen das Klima.
Sie kritisieren Söder, der keilt zurück. Berlin mache alles zu spät, falsch oder undurchdacht. Bringt uns der Streit weiter?
Die Bundesregierung hat in Wilhelmshafen ein Flüssiggas-Terminal in nicht einmal 200 Tagen fertiggestellt. Das soll doch in Bayern bitte einer nachmachen. Ich sage nur 2. Stammstrecke und Brenner-Nordzulauf. Die Elektrifizierung der Bahnstrecke nach Lindau wurde seit 1975 geplant und Ende 2021 abgeschlossen. So plant und baut eine CSU-geführte Regierung. Nur um das einmal einzuordnen.
Im Zentrum der Kritik steht derzeit aber nicht Söder, sondern Habeck. Ist das eine Bürde für den kommenden Landtagswahlkampf?
Es ist schon bemerkenswert, wie Habeck gerade niedergeschrieben wird. Schauen Sie mal auf seine Leistungsbilanz: Fast jedes dritte Gesetz dieser Bundesregierung stammt aus dem Bundeswirtschaftsministerium. Wer hätte nach dem 24. Februar und dem Ausfall von Nordstream 1 darauf gewettet, dass wir die Gasspeicher vollkriegen? Sicher war das teuer, aber wir sind heute fast frei vom russischen Gas. Wer hätte das vor einem Jahr für möglich gehalten? Und übrigens, kein Bundesland hat sich so anhängig gemacht von russischem Gas und Öl wie das CSU-regierte Bayern.
Kommen wir sicher durch diesen Winter?
Alles, was kurzfristig möglich war, hat man gemacht: Die Speicher sind voll, das Flüssiggas ist bestellt, die Terminals sind da, alle Kraftwerke sind am Netz. Die Abschaffung der EEG-Umlage bedeutet eine Entlastung für fast alle. Wir haben die Gaspreisbremse und Strompreisbremse auf den Weg gebracht. Das hatten wir schon ewig nicht mehr: einen Plan, mit dem wir durch die Krise kommen.
Es gibt in Bayern nicht wenige, die das Gegenteil behaupten. Man wirft Berlin Planlosigkeit vor.
Ich bin überzeugt, da macht Söder den gleichen Fehler wie Friedrich Merz. Man schadet dem Land, wenn man ständig über drohendes Unheil spricht und unseren Wirtschaftsstandort madig redet. Das treibt die Preise, darauf reagieren Strom- und Rohstoffhändler, das schafft Unsicherheit, das verschreckt Investoren. Was uns allen wirklich hilft, ist mehr Zuversicht und Vertrauen in die Leistungs- und Anpassungsfähigkeit unserer Unternehmen.