Pressemeldung vom 29.10.2020

Green Deal der EU: Wirtschaft warnt vor Regulierungsdiktat

Spring, the morning rising sun and smoking plant pipes. The dissonance of pure nature and polluting human activity. Save the Earth concept

29.10.2020 - Die bislang vorliegenden Pläne der EU, im Rahmen eines „Green Deal“ bis 2050 Europas Netto-Treibhausemissionen auf Null zu reduzieren, stoßen in der Wirtschaft auf große Skepsis, so die IHK für München und Oberbayern.

Gößl: „CO2-Bepreisung konsequent in den Mittelpunkt stellen“‎

„Die Ziele des Klimaschutzes sind unstrittig, aber nicht der Weg dorthin. Die EU setzt auf ein Vorschriftenkorsett, dessen realwirtschaftliche Auswirkungen niemand überblickt. Für einzelne Sektoren wie Energieerzeugung, Verkehr oder die Autoindustrie werden Detailregulierungen festgezurrt, statt grundsätzlich auf deutlich effizientere Markt­mechanismen, Innovation und Technologieoffenheit zu setzen“, sagte IHK-Haupt­geschäftsführer Manfred Gößl bei einer Expertenanhörung im Bayerischen Landtag.

„Die Wirtschaft steht zum Klimaschutz als eine unserer wichtigsten Generationen­aufgaben. Rund 90 Prozent der befragten Unternehmen haben in einer IHK-Umfrage angegeben, mehr Maßnahmen für den Klimaschutz zu befürworten. Aber mit einem sich abzeichnenden Bürokratie-Experiment kann man Klimaschutz und wirtschaftlichen Erfolg nicht zusammenbringen“, so Gößl. Die IHK vermisse einen marktwirtschaftlichen Ansatz. Die Politik solle deutlich mehr auf das Instrument des Emissionshandels fokussieren, um stringente Anreize zur Entwicklung und Einführung neuer Technologien zu setzen und das Verbrauchsverhalten der Unternehmen und Verbraucher zu verändern.

„Das gewaltige Transformationspotenzial der Wirtschaft kommt umso besser zum Tragen, je klarer die Ziele definiert sind und je geringer die Regulierungsdichte ist. Ein Ja zu starken Leitplanken, ein Nein zu unnötigen Hürden und Vorschriften. Ineffiziente Doppel- und Dreifach-Regulierungen verlangsamen und verteuern den notwendigen Umbau zu einer ökologischen und klimaneutralen Marktwirtschaft“, sagte der IHK-Chef.

Ein potenzielles handelspolitisches Pulverfass ist nach IHK-Ansicht außerdem der innerhalb des Green Deal angedachte CO2-Grenzausgleich, mit dem sich die EU vor Dumping-Produkten aus Staaten mit niedrigeren Klimastandards schützen würde. Sofern es dazu keine internationalen Übereinkünfte gibt, dürften einseitige Regelungen der EU – wie beispielsweise CO2-Zoll-Aufschläge für Importe – starke protektionistische Gegenmaßnahmen der Handelspartner auslösen, kritisiert die IHK. Dies würde Bayern mit seiner exportorientierten Wirtschaft besonders hart treffen.

Als weiteres Beispiel nannte Gößl den Aktionsplan „Sustainable Finance“, mit dem die EU die Finanzwirtschaft als Hebel des wirtschaftlichen Umbaus nutzen und Finanz­ströme gezielt in nachhaltige Projekte und Unternehmen lenken will. Derzeit wird in Brüssel dazu eine „Taxonomie“ entwickelt, mit der die EU die Nachhaltigkeit aller Wirtschaftstätigkeiten und Produkte klassifizieren will. Das ifo-Institut hatte dazu jüngst in einer Studie im Auftrag der IHK analysiert, dass Transparenz und richtige Bepreisung von Risiken wichtig seien, aber eine solche Lenkung der Kapitalströme durch Finanzregulierung problematisch ist. Die dazu vorgesehene Klassifizierung von Wirtschaftstätigkeiten in ‚grün‘ oder ‚braun‘ werde durch andere klimapolitische Instrumente überlagert und damit finde eine ineffiziente Doppelregulierung statt, schrieb ifo-Chef Clemens Fuest in der Studie.