Konjunktur Herbst 2022

Geschäftserwartungen im freien Fall

Energiekrise, hohe Inflation, Abkühlung der Weltwirtschaft, Fachkräftemangel, fragile Lieferketten– die bayerische Wirtschaft steht vor einer maximal schwierigen Belastungsprobe. Die Stimmung ist im Keller. Der BIHK-Konjunkturindex bricht im Herbst 2022 Vergleich zum Frühjahr um 24 Punkte ein und liegt aktuell mit 88 Punkten weit unterhalb des langjährigen Durchschnitts von 112 Punkten.

Hauptverantwortlich für die desaströse Stimmung sind die massiv eingebrochenen Geschäftserwartungen, die zweite Komponente der Indexberechnung. Per Saldo fallen sie um 31 Zähler auf -37 Punkte. Dies ist ein Allzeittief und stellt den größten Absturz von einer Befragung zur nächsten dar. Über alle Branchen hinweg blicken die Unternehmen stark verunsichert auf die kommenden Monate. Bei ihren Investitions- und Beschäftigungsplänen drücken sie bereits auf die Kostenbremse. Sie fahren ihre Investitionen zurück und planen einen leichten Stellenabbau.

Mit ihrer aktuellen Geschäftslage, der ersten Komponente der Indexberechnung, sind die Unternehmen hingegen weitgehend zufrieden, auch wenn erste Dämpfer erkennbar sind. Per Saldo sinkt die Geschäftslage um 7 Zähler auf 25 Punkte, was angesichts der komplexen Herausforderungenaber positiv überraschend ist. Industrie und Baugewerbe können aktuell noch auf einen soliden Auftragsbestand zählen. Tourismus, Handel und die Dienstleistungsbranche melden ebenfalls weitgehend stabile Umsätze. Inwieweit der Unsicherheitsschock tatsächlich zu einem Einbruch der Geschäftslage führen wird, kann aktuell nicht abgeschätzt werden. Klar ist, die bayerische Wirtschaft steht vor einer tiefen Zäsur.

Wie sollte die Politik reagieren?

Energiepolitik:

Kosten senken und Versorgungssicherheit gewährleisten. Energiepolitik ist elementare Wirtschaftspolitik. Die Energiekosten müssen auf ein international wettbewerbsfähiges und tragfähiges Niveau zurückgeführt und Versorgungssicherheit gewährleistet werden. Alle derzeitig verfügbaren Energiequellen müssen ausnahmslos genutzt werden.

Lieferketten: Resilienz erhöhen durch mehr Freihandelsabkommen

Deutschland und die EU müssen den Freihandel stärken und für offene Märkte eintreten, um den Unternehmen eine globale Diversifizierung ihrer Bezugsquellen zu ermöglichen. Neue Freihandelsabkommen mit den USA und Australien würden ein starkes Signal senden.

Bürokratie: Flexibilitätsoffensive und Belastungsmoratorium

Das von der Politik ausgerufene Belastungsmoratorium muss ernstgenommen und umgesetzt werden. Die Pflichten nach dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz müssen ausgesetzt werden.Es dürfen keine zusätzlichen, nicht notwendigen Anforderungen geschaffen werden. Stattdessen braucht die Wirtschaft eine Flexibilitätsoffensive.

Industrie

  • Trotz Dämpfer sind die Industriebetriebe aufgrund noch gut gefüllter Auftragsbücher mit ihrer Geschäftslage weitgehend zufrieden. Die Geschäftserwartungen sacken hingegen dramatisch ab.
  • Unkalkulierbare Energie- und Rohstoffpreise, drohende Energieknappheit und ein sich abzeichnender Nachfragerückgang tragen zu großer Verunsicherung bei.

Dienstleistungen

  • Die Stimmung in der Dienstleistungsbranche sinkt deutlich ab, ist jedoch nicht so schlecht wie in anderen Branchen.Die Geschäftslage gibt dank solider Umsatzzahlen nur leicht nach, während die Geschäftserwartungen deutlich einbrechen.
  • Risiken sehen die Betriebe in den hohen Energie- und Rohstoffpreisen, im Fachkräftemangel sowie in einer abnehmenden Inlandsnachfrage.

Handel

  • Desaströse Geschäftserwartungen sorgen im Handel für einen Stimmungseinbruch. Die Geschäftslage verschlechtert sich aufgrund stabiler Umsätze hingegen nur leicht.
  • Sorgen bereiten den Unternehmen neben den hohen Energie- und Rohstoffpreisen der Kaufkraftverlust der privaten Haushalte. Sowohl Groß- als auch Einzelhandel rechnen mit einem deutlichen Rückgang der Nachfrage.

Baubranche

  • Nirgends sind die Risiken so kritisch wie im Baugewerbe. Hohe Energie- und Rohstoffpreise, fehlende Fachkräfte sowie eine abnehmende Inlandsnachfrage bereiten den Unternehmen große Sorgen. Hinzukommen steigende Arbeitskosten und schwierigere sowie teurere Finanzierungsbedingungen.
  • Die Risikogemengelage führt zu einem Einbruch der Geschäftserwartungen. Die Geschäftslage gibt ebenfalls nach, bleibt aber oberhalb des langjährigen Durchschnitts im positiven Bereich.

Tourismus

  • Die Geschäftslage hat sich dank eines brummenden Sommergeschäfts gegenüber der Frühjahresbefragung erheblich verbessert. Die Tourismusbranche blickt jedoch erneut besorgt auf den Winter.
  • Die hohen Energie- und Rohstoffpreise, fehlende Fachkräfte sowie steigende Arbeitskosten verunsichern die Betriebe. Aufgrund des Kaufkraftverlustes der privaten Haushalte rechnen sie mit einer abnehmenden Nachfrage.

Liquidität, Hemmnisse und Risiken

Die Finanzlage in der bayerischen Wirtschaft bleibt im Vergleich zum Frühjahr weitgehend stabil, wenngleich ein leichter Abwärtstrend erkennbar ist. Insgesamt melden 55 % der Betriebe eine gute,35 % eine befriedigende und 8 % eine schlechteLiquiditätslage. Mit 2 % bleibt der Anteil an Unternehmen,der eine existenzbedrohende Liquiditätslage meldet, noch gering.

Für die Unternehmen wird es zunehmend schwieriger, höhere Kosten vollständig an ihre Kunden weiterzugeben. Diese Entwicklung ist besorgniserregend, da sie eine zunehmende finanzielle Belastung für die Unternehmen darstellt.

Methode

Für den bayerischen Konjunkturbericht wurden insgesamt 3.500 Unternehmen von den bayerischen IHKs schriftlich befragt. Die Konjunkturumfrage wird drei Mal im Jahr durchgeführt.