Bayerische Wirtschaft überwindet den Corona-Schock - Wachstumsdynamik lässt jedoch nach
Die bayerische Wirtschaft erholt sich vom Corona-Schock schneller als erwartet. Die Wachstumsdynamik lässt allerdings in den kommenden Monaten bereits nach. Mit einer Rückkehr der Geschäftstätigkeit auf das Vor-Corona-Niveau ist nicht vor Ende 2021 zu rechnen.
Inhalt
Konjunktur in Bayern
Das Stimmungsbarometer der bayerischen Wirtschaft – der BIHK-Konjunkturindex – ist von 81 auf 107 Punkte angestiegen. Der als geometrisches Mittel aus Lageurteilen und Geschäftserwartungen ermittelte Indikator hat damit 70 % seines Corona bedingten Einbruchs aufgeholt.
Mit dem Ende des Lockdowns konnten die meisten Branchen ihre Geschäftstätigkeit schrittweise hochfahren. Begleitet von massiven staatlichen Unterstützungsmaßnahmen und einer kräftigen Erholung insbesondere Chinas, des Handelspartners Nummer zwei, gelang der Neustart. Dies spiegelt der starke Anstieg der Geschäftslage von -18 Saldenpunkten auf +9 Punkte wider. Die anfänglichen Befürchtungen - eine zu starke Abhängigkeit und fragile internationale Lieferketten würden ein schnelles Hochfahren verhindern - haben sich damit nicht bewahrheitet.
Die Unternehmen rechnen allerdings nur mit einem geringen Wachstum in den kommenden Monaten: Zwar haben sie ihre Geschäftserwartungen per Saldo von -20 auf + 5 Punkte ebenfalls sehr kräftig angehoben. Im Vergleich zur Lagebewertung sowie zu früheren Erholungen nach Rezessionen liegt der Saldo jedoch auf einem niedrigen Niveau.
Dies hat folgende Gründe: In einzelnen Branchen wie insbesondere im Hotel- und Gastgewerbe, der Kulturwirtschaft oder der Reisebranche ist die Geschäftstätigkeit aufgrund von anhaltenden Beschränkungen zur Eindämmung des Coronavirus weiterhin stark limitiert (90 %-Ökonomie). Zudem dämpfen strukturelle Herausforderungen (Abkehr vom Verbrennungsmotor, Digitalisierung, Fachkräftemangel, Verschlechterung der Wettbewerbsfähigkeit) das Wachstumspotenzial. Darüber hinaus ist die Unsicherheit nicht nur in Bezug auf die Corona-Pandemie außerordentlich hoch, sondern auch mit Blick auf die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen (Bürokratie, Brexit, schwelender Handelsstreit zwischen China / USA / EU).
Aufgabe der Wirtschaftspolitik muss es sein, die Erholung zu stützen und den Strukturwandel
zu fördern. Dabei sollte das Motto gelten: Veränderung belohnen, nicht den Stillstand. Damit die Unternehmen den notwendigen Wandel gestalten können, brauchen sie entsprechende finanzielle Möglichkeiten. Um den Rückgang des Eigenkapitals besser abfedern zu können, sollten die Unternehmenssteuern gesenkt und der Verlustrücktrag ausgeweitet werden.
Industrie in Bayern
- Die bayerische Industrie erholt sich schneller vom Corona-Stillstand als Anfangs befürchtet. Im Vergleich zum Frühjahr haben die Unternehmen ihre Umsatzprognosen für 2020 angehoben.
- Die Geschäfte laufen allerdings trotz der spürbaren Erholung vergleichsweise schlecht (Saldo -4 Punkte).
- Die Unternehmen scheinen nur mit einem geringen Wachstum zu rechnen: Zwar haben sie ihre Geschäftserwartungen unerwartet stark angehoben, sie halten sich jedoch beim Investieren zurück und müssen weitere Stellen streichen.
Dienstleistungsbranche in Bayern
- Im bayerischen Dienstleistungsgewerbe ist der Neustart ebenfalls geglückt. Weiterhin schlecht laufen die Geschäfte allerdings in der Werbebranche sowie in der Kultur- und Kreativwirtschaft.
- Die bayerischen Dienstleister blicken wenig optimistisch in die Zukunft.
- Auch im Dienstleistungsgewerbe wird sich der Stellenabbau fortsetzen: Zwar ist der Saldo der Beschäftigungspläne im Vergleich zum Frühjahr angestiegen, mit -8 Punkten liegt er jedoch weiterhin klar im Minus.
Handel in Bayern
- Im bayerischen Handel hat sich die Stimmung besonders stark erholt. Die Geschäfte laufen insgesamt wieder recht ordentlich.
- Für die kommenden Monate rechnen die Händler allerdings lediglich mit einer stabilen Entwicklung.
- Die Corona-Pandemie hat den strukturellen Umbruch im Handel nochmals spürbar beschleunigt: Der Onlinehandel profitiert, der stationäre Handel verliert.
Bauwirtschaft in Bayern
- Das bayerische Baugewerbe hat im Frühjahr nicht so stark unter den Corona-Auswirkungen gelitten wie andere Branchen, denn die Auftragsbücher waren noch voll. Auch aktuell laufen die Geschäfte auf einem guten Niveau.
- Der Höhenflug im Baugewerbe scheint jedoch auszulaufen. Die Betriebe blicken vergleichsweise skeptisch auf die kommenden Monate. Sie rechnen mit weniger Aufträgen im Bereich des Wirtschaftsbaus und der öffentlichen Hand.
Tourismuswirtschaft in Bayern
- Neben der Kultur- und Kreativwirtschaft leidet der bayerische Tourismus am stärksten unter den Auswirkungen der Corona-Pandemie. Jedes zweite Unternehmen bewertet seine aktuelle Lage als „schlecht“. Der Saldo liegt mit -32 Punkten weiterhin klar im negativen Bereich. Besonders kritisch ist die Situation bei den Reisebüros und den Reiseveranstaltern.
- Die Tourismusbranche hat wenig Hoffnung, dass sich in den kommenden Monaten die Lage verbessert. Das Hotel- und Gastgewerbe geht sogar von einer erneuten Eintrübung aus. Daher beabsichtigen 40 % der Betreiber von Hotels und Gaststätten, Personal zu streichen.
Aussicht und Risiken
Umsatz:
- Der Neustart ist besser geglückt als erwartet: Im Vergleich zum Frühjahr haben die Unternehmen ihre Umsatzprognosen für 2020 angehoben.
- Die Mehrheit der Unternehmen (53 %) rechnet allerdings im Jahr 2020 mit Umsatzeinbußen.
Rückkehr zur Normalität:
- Mit einer Rückkehr der Geschäftstätigkeit auf das Vor-Corona-Niveau ist frühestens 2022 zu rechnen.
- Bei rund jedem vierten Unternehmen laufen die Geschäfte aktuell auf oder über dem Vor-Corona-Niveau und rund jedes Dritte rechnet mit einer vollständigen Erholung bis spätestens Ende nächsten Jahres.
- Knapp jedes Fünfte erwartet erst nach 2021 eine Rückkehr zur Vor-Corona-Normalität und 7 % rechnen nicht mit einer Normalisierung.
- Die Unsicherheit ist hoch: 18 % trauen sich keine Prognose zu.
Methodik
Für den bayerischen Konjunkturbericht wurden insgesamt 3.800 Unternehmen von den bayerischen IHKs schriftlich befragt. Die Konjunkturumfrage wird drei Mal im Jahr durchgeführt.