Wirtschaftsstandort

Weniger Bürokratie: Was macht Schweden besser?

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Ausgelöst durch die Erkenntnisse aus einer ifo-Studie zu den Kosten überbordender Bürokratie (146 Milliarden Euro!) machte sich im März 2025 eine von der IHK für München und Oberbayern angeführte Delegation aus Politik, Verwaltung und Wirtschaft auf den Weg nach Schweden, das als Vorbild für schlanke Bürokratie und fortgeschrittene Digitalisierung gilt. Die Reise stand im Zeichen des von der IHK verfolgten „von Anderen lernen“-Ansatzes.

Der Besuch bot eindrückliche Einblicke, wie moderne Verwaltungsstrukturen Unternehmen den Alltag erleichtern und somit zu einer gesteigerten Wettbewerbsfähigkeit beitragen können.

Die wichtigsten Erkenntnisse der IHK-Delegationsreise nach Stockholm im März 2025

Gesamtgesellschaftliche Kooperation und Vertrauen als Basis für effiziente Abläufe

In Schweden prägt ein pragmatisch-lösungsorientiertes Mindset die Zusammenarbeit aller Beteiligten. Einer der zentralen Begriffe der Reise war "Samverkan", was sich sinngemäß mit "Zusammenwirkung" oder "Mitwirkung" übersetzen lässt. Es besteht ein starker wechselseitiger Vertrauensbeweis zwischen Bürgern, Unternehmen und Staat, weswegen Schweden als „High-Trust-Gesellschaft“ gilt. Diese Haltung basiert darauf, dass Bürger und Unternehmen Eigenverantwortung übernehmen und der Staat gezielt "loslässt", was den Spielraum für unternehmerische Initiative schafft. Zusätzlich fördert eine progressive Fehlerkultur kontinuierlich das Lernen aus Misserfolgen und Optimieren von Prozessen. Dieses Mindset steht im Kontrast zu oft formalistisch und hierarchisch geprägten Strukturen und zur stärker verbreiteten Misstrauenskultur in Deutschland.

Serviceorientierung der Behörden und innovative Verwaltungsprozesse für einen wirtschaftsfreundlicheren Staat

Schwedische Behörden agieren nicht als reine Regulierungsinstanz, sondern als serviceorientierte Partner. Unternehmerisches Denken und die Ausrichtung an den Bedürfnissen der Wirtschaft treiben stetige Prozessoptimierungen voran – befördert durch innovative Digitalisierungsstrategien. Beispielsweise durch die Nutzung erfolgreicher privatwirtschaftlicher Lösungen und deren Integration in den öffentlichen Sektor (z.B. der digitale Postdienst Kivra, der mittlerweile von über 52.000 Unternehmen und Behörden genutzt wird) wird ein Wettbewerb gefördert, der nicht nur die Verwaltung modernisiert, sondern Unternehmen dabei unterstützt, ihre Geschäftsabläufe vollständig digital und effizient zu gestalten.

Transparenz und Zentralisierung als Erfolgsfaktoren

Ein weiteres wesentliches Element des schwedischen Modells ist das hohe Maß an Transparenz. Das Konzept des „gläsernen Bürgers/ Unternehmens“ geht mit einem intensiven Datenaustausch zwischen Behörden einher und ist mit EU-rechtlichen Datenschutzanforderungen vereinbar. Die Netzwerke und einheitlichen Schnittstellen zwischen verschiedenen Registern gewährleisten, dass Informationen zentral gespeichert und verfügbar gemacht werden, ohne jedoch auf eine einheitliche Softwarelösung über sämtliche Verwaltungseinheiten zurückgreifen zu müssen. Flache Hierarchien in der Verwaltung tragen zusätzlich zur schnellen Entscheidungsfindung und Flexibilität bei. Unternehmen in Schweden können durch die zentrale Datenhaltung ihre internen Ressourcen effizienter einsetzen.

Fortgeschrittene Digitalisierung als Erfolgsmotor

Die Digitalisierung in Schweden gehört zu den am weitesten fortgeschrittenen weltweit. Der Einsatz fortschrittlicher Technologien ermöglicht allen Beteiligten einen reibungslosen und effizienten Ablauf von Verwaltungsprozessen. Ein herausragendes Beispiel für die Digitalisierung ist die lebenslang gültige Personen‑ID, die in Schweden – ähnlich der deutschen Steuer‑ID – automatisch bei der Geburt vergeben wird. In Verbindung mit einer zentralen Bank‑ID zur e‑Legitimation revolutioniert dieses System die Interaktion mit Behörden. Ob bei der Kontoeröffnung, bei Immobiliengeschäften oder der Unternehmensgründung – sämtliche Verwaltungsverfahren laufen digital über das Smartphone ab. Für die Wirtschaft bedeutet dies weniger Zeitaufwand, geringere Kosten und einen erheblichen Wettbewerbsvorteil.

Konkrete Vorteile für Unternehmen in Schweden

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v.l.n.r. Walter Nussel, MdL, Beauftragter für Bürokratieabbau der Bayerischen Staatsregierung; Christina Beinhoff, Botschafterin Deutschlands im Königreich Schweden; Elke Christian, Mitglied der Hauptgeschäftsführung IHK für München und Oberbayern; Dr. Ralph-Georg Tischer, Geschäftsführer AHK Schweden
  • Digitale Legitimation: Eine lebenslang gültige Personen- bzw. Organisationsnummer in Kombination mit einer zentralen Bank-ID ermöglichen die elektronische Identifizierung und Authentifizierung.
  • Volldigitalisierte Prozesse: Behördenvorgänge werden bequem via Smartphone abgewickelt.
  • Vertragsabschlüsse: Digitale Vertragsabschlüsse mit wenigen Formvorschriften und klar strukturierten Dokumenten (z. B. einseitige Arbeitsverträge) erleichtern und beschleunigen Geschäftsprozesse.
  • Immobiliengeschäfte: Transaktionen im Immobilienbereich erfolgen unkompliziert und ohne notarielle Einschaltung.
  • Unternehmensgründung und -änderungen: Diese lassen sich in wenigen digitalen Schritten realisieren, was den administrativen Aufwand stark reduziert.
  • Steuerliche Prozesse: Digitale Steuererklärungen, unterstützt durch vorausgefüllte Formulare, ermöglichen eine rasche und fehlerfreie Abwicklung.

Fazit und Transferperspektiven

Die Delegationsreise machte deutlich, dass durch ein Zusammenspiel aus einem pragmatischen, lösungsorientierten und experimentierfreudigen Mindset, effizienter, serviceorientierter Verwaltung und einer konsequent vorangetriebenen Digitalisierung bürokratischer Aufwand signifikant reduziert werden kann. Für die Wirtschaft eröffnen sich dadurch klare Vorteile. Eine effiziente, digital unterstützte Verwaltung führt zu geringeren Kosten, weniger Zeitaufwand und einer gesteigerten Attraktivität des Standorts.

Aus Sicht der IHK München und Oberbayern liefert das schwedische Modell wichtige Impulse für Deutschland, um den wirtschaftlichen Standort zukunftssicher und wettbewerbsfähig zu gestalten. Auch wenn die schwedischen Ansätze aufgrund struktureller und gesellschaftlicher Unterschiede nicht 1:1 auf Deutschland übertragbar sind, lassen sich zur Stärkung der Unternehmen in Deutschland gleichwohl mehrere Anknüpfungspunkte finden, wie etwa: die konsequente und zügige Weiterentwicklung der seit November 2024 für Unternehmen eingeführten Wirtschafts-ID , die langfristig als Basis für eine bundesweite, behördenübergreifende Kommunikation dienen soll, zudem die Förderung einer unternehmerischen und serviceorientierten Mentalität in der Verwaltung sowie das zügige Vorantreiben der Digitalisierung und die konsequente Nutzung von Innovation, um Prozesse zu optimieren. In diesem Kontext wird von einigen Reiseteilnehmern aus dem Kreis der Kommunen die Initiierung von Modellregionen angestrebt, um Erkenntnisse zu Effizienz und Digitalisierung in ihrer Kommune auszuprobieren. Seitens der IHK für München und Oberbayern wird ein solches Vorgehen begrüßt und durch die Einbringung der Sichtweise von Unternehmen gerne unterstützt.