IHK Position

Verwaltungsdigitalisierung: Weniger Kosten, mehr Tempo und mehr Innovation in Wirtschaft und Verwaltung

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Eine effiziente digitale Verwaltung ist ein wichtiger Faktor, um die Wettbewerbsfähigkeit und Zukunft des Wirtschaftsstandortes zu sichern. Die IHK-Vollversammlung sprach sich auf ihrer Sitzung im November 2023 daher für eine schnellere und wirkungsvollere Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung aus.

In ihrer IHK-Position fordert sie dringend eine Verringerung der Bürokratiekosten und eine Steigerung der Effektivität der öffentlichen Verwaltung.

Im EU-Vergleich ist Deutschland bei E-Government Services seit Jahren deutlich im unteren Mittelfeld. Alle bisherigen Bemühungen, wie zum Beispiel das 2017 eingeführte Online-Zugangsgesetz (OZG), haben keinen durchgreifenden Digitalschub erreicht.

Der Index für digitale Wirtschaft und Gesellschaft (DESI) der Europäischen Kommission fasst die digitale Leistung Europas zusammen und verfolgt die Fortschritte der Länder. Die Indikatoren für E-Government im Jahr 2023 (Daten aus 2022) bezeugen, dass der Digitalschub in Deutschland ausbleibt.

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Abbildung 1: der DESI-Index 2023

IHK-Forderungen für eine effektive digitale Verwaltung

Eine effiziente digitale Verwaltung ist ein wichtiger Faktor, um die Wettbewerbsfähigkeit und Zukunft des Wirtschaftsstandortes zu sichern und daher eine zentrale Aufgabe für die Politik. Hinzukommt, dass die Unternehmen im Freistaat unter immer mehr neuen Regularien, Vorschriften und Pflichten leiden. Es braucht dringend weniger Bürokratie (lesen Sie dazu die Forderungen der bayerischen IHKs).

Es ist unabdingbar, dass die Verwaltungsdigitalisierung endlich an Fahrt aufnimmt, um die Bürokratiekosten und den Aufwand für die Unternehmen möglichst zu minimieren.

Die IHK setzt sich deshalb mit einer Vielzahl von Vorschlägen und Aktivitäten für eine starke und zukunftsfähige digitale Verwaltung ein.

Im November 2023 wurde das Positionspapier Verwaltungsdigitalisierung: Weniger Kosten, mehr Tempo und mehr Innovation in Wirtschaft und Verwaltung von der IHK-Vollversammlung verabschiedet.

Kernforderung sind passende Strukturen und Rahmenbedingungen für eine zielführende Verwaltungsdigitalisierung. Dazu gehören eine umfassende Strategie inklusiver schlanker Steuerung- und Umsetzungsstruktur sowie klare Verantwortlichkeiten und Befugnisse.

Konkrete Vorschläge aus dem Positionspapier:

Gemeinsames Zielbild von Bund, Ländern und Kommunen
Voraussetzung für eine effektive und effizientere Verwaltungsdigitalisierung ist ein gemeinsames Zielbild von Bund, Ländern und Kommunen und ein daraus abgeleiteter Reformplan, der den Rechtsrahmen und die operative Umsetzung des Verwaltungshandelns digitaltauglich gestaltet.

  • Für die Umsetzung braucht es eine Plattform-Infrastruktur mit zentralen, einheitlichen Standards und Basis-Komponenten, die übergreifend für alle öffentlichen Stellen bereitgestellt und zentral gesteuert wird.

Klare, schlanke Governance-Strukturen festlegen
Die Governance-Strukturen der Verwaltungsdigitalisierung sollten verschlankt und zentral gebündelt werden, um stringenter und zügiger voranzukommen, Transaktionskosten und Koordinierungsaufwände zu senken, die Schnelligkeit von Softwareentwicklungen zu erhöhen, deren Nachnutzung zu vereinfachen und gleichzeitig Innovationskraft und Wettbewerb aufrechtzuerhalten.

  • Dazu sollte der IT-Planungsrat zukünftig Mehrheitsentscheidungen fällen können.
  • Die Föderale IT-Kooperation (FITKO) und Koordinierungsstelle für IT-Standards (KOSIT) sollten finanziell und personell gestärkt werden.

Prozesse optimieren und vollständig digitalisieren
Verwaltungsprozesse werden häufig durch Medienbrüche und unterschiedliche Datenstrukturen ausgebremst.
Sie müssen optimitiert und vollständig digitalisiert werden. Eine Ende-zu-Ende Digitalisierung ist unerlässlich, um Verfahren effzient und schnell abzuwickeln.

  • Interne Verwaltungsprozesse müssen konsequent standardisiert und digitalisiert werden.
  • Zeitgemäße digitale Infrastruktur muss in der öffentlichen Verwaltung ausgebaut werden.
  • Automatisierte Machine-to-Machine-Kommunikation über standardisierte, offene Schnittstellen muss zwischen Unternehmen und Verwaltung ermöglicht werden.

Digitale Verwaltungslösungen gemeinsam mit Nutzern entwickeln
Vorhandene digitale Verwaltungslösungen sind häufig allein aus Sicht der Verwaltung gestaltet und berücksichtigen die Perspektive von Unternehmen nicht. Als Poweruser der Verwaltung müssen Unternehmen in den Fokus gerückt werden.

  • Die Anforderungen und Bedürfnisse der Unternehmen müssen die Grundlage für die Konzeption und Gestaltung digitaler Angebote der Verwaltung bilden.
  • Es braucht einen zentralen Einstieg in Verwaltungsleistungen für Unternehmen wie z.B. eine bundesweite Unternehmensplattform.
  • Alle relevanten Verwaltungsverfahren sollen zügig an das Unternehmenskonto als zentraler Zugang für Unternehmen und deren Datenverwaltung angebunden werden.

Once-Only-Prinzip umsetzen: Datenaustausch zwischen Behörden ermöglichen
Nutzerdaten sollen nur einmal bei der öffentlichen Verwaltung erfasst werden. Behörden sollten in der Lage sein, diese untereinander auszutauschen. Dafür braucht es moderne und digitale Register und einen zuverlässigen Datenaustausch aller relevanten Behörden.

  • Die zügige Umsetzung des Basisdatenregistergesetzes sowie des Registermodernisierungsgesetztes sind zwingend notwendig.
  • Der Kreis der Daten wie auch der aktuell elf Grupppen von öffentlichen Stellen, die am Datenaustausch des UBRegG beteiligt werden, sollte deutlich ausgebaut werden.

Standardisierte Lösungen einführen
Insellösungen in Kommunen und den Bundesländern bremsen die Verwaltungsdigitalisierung erheblich aus und führen zu einem Mehrfachaufwand für die Wirtschaft. Es braucht einheitliche Basisdienste und standardisierte Lösungen.

  • Basiskomponenten und Standards müssen bundesweit einheitlich und verbindlich für alle Verwaltungsebenen festgelegt werden.
  • Das "Einer-für-Alle (EfA)"-Prinzip muss von Bund, Länder und Kommunen konsequent angewendet und umgesetzt werden.
  • An Kommunen übertragene Leistungen, die digital abgewickelt werden können, sollen in eine zentrale digitale Zuständigkeit und Umsetzung überführt werden.
  • Auch auf EU-Ebene müssen einheitliche Standards und Dienste voran getrieben werden.

Öffentliche Beschaffung vereinfachen
Die öffentliche Beschaffung ist aufwändig, langsam und steht oft innovativen Lösungen im Weg. Die elektronische Vergabe sollte bundesweit über einheitliche Standards erfolgen.

Digitale Kompetenzen in der Verwaltung ausbauen
Der demographische Wandel und der damit einhergehende Mangel an IT-Fachkräften führen sowohl in Unternehmen als auch in der öffentlichen verwaltung zu Herausforderungen bei der Digitalisierung. Deshalb sollten digitale Kompetenzen der Mitarbeiter/-innen in der öffentlichen Verwaltung konsequent gestärkt werden.

Open-Data-Angebot erweitern
In der Verwaltung liegt ein versteckter Datenschatz, der sowohl verwaltungsintern wie auch von der Wirtschaft nicht annäherungsweise genutzt wird. Das Open-Data-Angebot der öffentlichen Verwaltung soll weiter aufgebaut werden.

Innovationen in der Verwaltung nutzen
Durch die schleppende Digitalisierung der Verwaltung und die laufende Aufholjagd bleibt derzeit wenig Raum, um innovative Technologien wie etwa KI in die Verwaltung zu bringen. Genau dies sollte aber geschehen, denn der Einsatz innovativer Technologien bietet nicht nur die Chance auf effizientere digitale Verwaltungslösungen. Er führt auch zu einem besseren Verständnis für neue Technologien innerhalb der Verwaltung.

Datenschutzanforderung mit Chancen abwägen
Der Datenschutz ist wichtig - aber kein übergeordneter Wert. Es braucht einen pragmatischen Diskurs, der eine Abwägung von Chancen und Risiken der Datennutzung ermöglicht.

Politischer Rahmen der Verwaltungsdigitalisierung

Das OZG 2.0 - vsl. 2024

Der Gesetzentwurf zur Änderung des Onlinezugangsgesetzes (OZG 2.0) soll den Rahmen für die weitere Digitalisierung der öffentlichen Hand bilden und kann als Nachfolger zum OZG verstanden werden. Das OZG 2.0 soll die Voraussetzungen dafür schaffen, dass die im OZG festgelegten Vorhaben tatsächlich umgesetzt werden können.

Zusammenfassung des Gesetzentwurfs (Quelle: Bundesministerium des Innern und für Heimat)

  • BundID als zentrales Bürgerkonto für alle
  • Gesetzliche Verankerung des Once-Only-Prinzips
  • Faktische Abschaffung der Schriftform durch die Onlineausweisfunktion des Personalausweises.
  • Nutzerfreundlichkeit und Barrierefreiheit von digitalen Verwaltungsdienstleistungen werden gesetzlich verankert.
  • Bessere Beratung bei der Nutzung von digitalen Angeboten durch die Behördenrufnummer 115.
  • Fächendeckende und medienbruchfreie Digitalisierung von 15 besonders wichtigen Verwaltungsleistungen für Bürger/-innen.
  • Die Verwendung eines sogenannten Organisationskontos wird verfplichtend für alle öffentliche Stellen, die digitale Verwaltungsleistungen im Portalverbund anbieten.
  • Unternehmensleistungen werden "digital only".

Stellungnahme der Deutschen Industrie- und Handelskammer zum Gesetzentwurf zur Änderung des Onlinzugangsgesetzes (OZG 2.0)

Das Bundesministerium des Innern und für Heimat hat die IHK-Organisation um Stellungnahme zum Referententwurf des OZG 2.0 gebeten. Die Stellungnahme "Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Onlinezugangsgesetzes sowie weitere Vorschriften (OZG-ÄndG) wurde im Februar 2023 veröffentlicht.

Konkrete Vorschläge aus der Stellungnahme:

Die gewerbliche Wirtschaft benötigt eine leistungsfähige Verwaltung. Dafür sollten mit dem OZG-ÄndG wesentliche Eckpunkte definiert werden.

  • Die ersatzlose Streichung der OZG-Umsetzungsfrist ist den Unternehmen nicht vermittelbar. Für die wichtigsten Bausteine der Verwaltungsdigitalisierung, primär die Infrastrukturkomponenten, muss eine verbindliche Zeitplanung erfolgen.
  • Es braucht einen tatsächlich offenen, auf eine Ende-zu-Ende-Digitalisierung ausgerichteten Plattformansatz.
  • Fokus und Ankerpunkt des Gesetzes sollte nicht der Begriff „Portalverbund“, sondern explizit zentrale Infrastrukturkomponenten, wie das Unternehmenskonto sowie das Konto für natürliche Personen (= Nutzerkonten), aber auch Zahlungs- und Infrastrukturkomponenten sein.
  • Statt einer Festschreibung der Einer-für-alle-Logik sollten auch andere Ansätze der Zusammenarbeit auf Basis von Infrastrukturkomponenten ermöglicht werden.
  • Der Schriftformersatz bei digitalen Verwaltungsleistungen sollte an den Log-In mit Nutzerkonten geknüpft werden, nicht an die Nutzung der Verwaltungsportale von Bund oder Ländern.
  • Die gewerbliche Wirtschaft sollte eng in die Priorisierung und Entwicklung neuer Verwaltungsleistungen sowie in die Evaluierung eingebunden werden.
  • Regelungen zu Governance-Strukturen fehlen im Entwurf komplett. Diese sollte weiterentwickelt und verschlankt werden.