Bayerisches Wirtschaftsarchiv

Exponate des BWA 2018

Inhalt

Blaugas aus Bayern

Ursprünglich für die Beleuchtung gedacht, erfuhr Blaugas als Antriebsmittel für Zeppeline große Aufmerksamkeit.

Als 1928 das Luftschiff „Graf Zeppelin“ zu seiner großen Nordamerika-Fahrt startete, trieb das von dem in Bayern ansässigen Wissenschaftler Hermann Blau entwickelte Blaugas die Motoren an. 30.000 Kubikmeter Gas waren in großen Behältern im unteren Teil des Schiffs zu beiden Seiten des Laufgangs untergebracht. Nach 111 Stunden landete der Zeppelin in Lakehurst und wurde dort begeistert empfangen.

Der Erfinder Hermann Blau hatte in München studiert. Nach langjährigem Forschen war es ihm gelungen, ein Kohlenwasserstoffgas von hohem spezifischem Gewicht wie etwa dem Gewicht der Luft herzustellen. Dieses Gas kam zunächst als leicht transportfähiges und preiswertes Leuchtgas bei Leuchttürmen, Eisenbahnwagen oder Schiffen sehr erfolgreich zum Einsatz.

1903 gründete Blau zusammen mit dem Ballonfabrikanten Kommerzienrat Ludwig August Riedinger in Augsburg eine Fabrik und produzierte dort das ungiftige hellfarbene Gas. Aus dem Augsburger Unternehmen ging die Deutsche Blaugas-Gesellschaft hervor, die Fabriken in Wien, Budapest, Bukarest, St. Petersburg, in Nordamerika und Kuba ins Leben rief. Nach dem Ersten Weltkrieg setzte sich die weitere Verbreitung des elektrischen Lichts gegenüber der Gasbeleuchtung durch und die Nachfrage nach Blaugas sank mehr und mehr. Außerdem kam das Propangas als Nebenprodukt bei der Raffinerie von Erdöl auf. Bereits 1933 wurde die Blaugasfabrik in Augsburg wieder abgebaut.

Allerdings erlebte das Blaugas einen unerwarteten Aufschwung durch den Luftschiffbau. Da dieses Gas in etwa so schwer wie Luft war, konnten große Mengen des Betriebsstoffs mitgeführt werden, ohne den Zeppelin unnötig zu belasten. 1929 errichtete daher der Zeppelin-Luftschiffbau in Friedrichshafen eine eigene Produktionsanlage. Mit der Einstellung des Luftschiffverkehrs endete die Zeit des Blaugases für immer.

1944 starb der Chemiker Hermann Blau im Alter von 73 Jahren in Stephanskirchen bei Rosenheim. Seine Enkelin hat dem Wirtschaftsarchiv die noch in der Familie vorhandenen Unterlagen anvertraut. Damit sind wichtige Quellen zu einem heute nahezu vergessenen bayerischen Erfolgsprodukt erhalten und für die Öffentlichkeit zugänglich.

Harald Müller M.A. Wissenschaftlicher Mitarbeiter des Bayerischen Wirtschaftsarchivs

Weißblaue Wirtschaftslenker

Unternehmer mit Weitblick sichern die Zukunft eines Wirtschaftsstandorts. Beispiele solcher Unternehmerpersönlichkeiten hat das Bayerische Wirtschaftsarchiv in seinen Beständen und zeigt hier eine Auswahl.

Der Vater musste einspringen, um dem 22-Jährigen Friedrich Reiner den Start in die Selbstständigkeit zu ermöglichen. Er kaufte dem Jungunternehmer eine gebrauchte Drehbank und Werkzeug für die neu eröffnete mechanische Werkstätte. 1883 war es dann soweit: Vor 135 Jahren lieferte der Oberförstersohn die ersten 200 Sprechapparate für die Einführung der „Telephonie“ in München.

Zum bundesweiten Tag der Archive am 3. März stellt das Bayerische Wirtschafts­archiv (BWA) das spannende und mitunter auch kuriose Leben und Wirken weißblauer Firmenkapitäne vor. Die Ausstellung mit dem Titel „UnternehmerGestalten: Bayerische Wirtschaftspersönlichkeiten aus zwei Jahrhunderten“ enthält zahlreiche wertvolle Originalexponate und Porträts der Gründerzeit. Sie ist von 10 bis 17 Uhr in der IHK-Akademie an der Orleansstraße 10-12 zu sehen.

Ob es eine Art „Unternehmer-Gen“ gibt, lässt sich wissenschaftlich nicht nachweisen. Seit jeher gilt jedoch, dass für die Gründung eines Unternehmens Umtriebigkeit und Mut unerlässlich sind. Beides Eigenschaften, über die beispielsweise der Brillenfabrikant Josef Rodenstock (1846-1932) reichlich verfügte. Der gebürtige Thüringer stammte aus ärmlichen Verhältnissen und machte sich schon 14-jährig mit einem Wanderhandel selbstständig. 1877 eröffnete der Autodidakt in Würzburg eine kleine feinmechanische Werkstätte und gründete bereits fünf Jahre später ein Filialgeschäft in München, wohin er später die Produktion verlegte. 1898 kam ein Zweigwerk im Bayerischen Wald dazu. Für seine Verdienste erhielt Rodenstock 1911 den Titel eines Kommerzienrats.

Unternehmer, die neue Chancen für Beschäftigung, Wachstum und Zukunftsinvestitionen auftun, bilden das Rückgrat der Wirtschaft. Sie schaffen wichtige Voraussetzungen für den hohen Lebensstandard in Bayern. Entsprechend stark ist auch das Selbstverständnis, das früher in eindrucksvoll gerahmten, schweren Unternehmerporträts zum Ausdruck kam. Die einmalige Präsentation des Wirtschaftsarchivs in der IHK-Akademie zeigt unter anderem historische Ölgemälde und Büsten, wie sie einst Chefzimmer und Empfangsräume zierten.

Harald Müller, wiss. Mitarbeiter des Bayerischen Wirtschaftsarchivs

Pharmazie von der Isar

Togal - Pharmazie von der Isar: Das Bayerische Wirtschaftsarchiv beleuchtet die Unternehmergestalt des Gründers Gerhard Friedrich Schmidt im Exponat des Monats.

Angeblich bekam der berühmte Elefant „Toto“ des legendären Zauberkünstlers Alois Kassner dreimal täglich 21 Togaltabletten – aufgelöst in Malzbier - gegen seine Wintergicht. Das Schmerzmittel stammte aus der Münchner Fabrik „Kontor Pharmacia M. Schmidt & Co.Komm.-Ges.“, die Gerhard Friedrich Schmidt 1914 in München gegründet hatte.

Der gebürtige Holsteiner hatte eine kaufmännische Lehre bei einer Tuchfabrik in Cottbus absolviert und war dann für ein englisch-amerikanisches Pharmaziekonsortium tätig, bevor er sich an der Isar niederließ. 1921 entstand an der Ismaninger Straße ein Werk mit eigenem Laboratorium, wo „an der Vervollkommnung des Togal“ gearbeitet wurde. Schnell entwickelten sich die freiverkäuflichen Pillen gegen Kopfschmerzen, Erkältungsbeschwerden, Gicht und Ischias zum Verkaufsschlager. 1927 erhielt Schmidt den Titel eines Kommerzienrats. Bereits in den 1930er-Jahren standen 46 Länder auf der Exportliste. 1938 lief die Produktion von „Efasit-Fußpflege“ an.

Rechtzeitig zum 50-jährigen Firmenjubiläum 1964 kamen die Diät-Süßstofftabletten „Ilgonetten“ auf den Markt. Im Wohlstands-Deutschland bekämpfte man damit die überflüssigen Pfunde. Damals leitete Günther Schmidt, der jüngste Sohn des Firmengründers, das Unternehmen. Er galt als „bunter Vogel“ der Münchner Gesellschaft und war häufiger Gast in den Klatschkolumnen der Boulevardpresse. Sein Markenzeichen, den gezwirbelten Schnurrbart, hielt er mit Bartwichse aus der eigenen Produktion in Form. 2009 starb der Togal-Chef mit 91 Jahren.

2008 geriet das Togal-Werk in wirtschaftliche Schwierigkeiten. Nachdem Günther Schmidt die Mehrheitsanteile abgegeben hatte, wurde das Firmengelände veräußert. Die denkmalgeschützten Fabrikanlagen blieben bestehen. Auf dem Werksareal entstanden Wohnungen und Büros. Die noch vorhandenen historischen Materialien gingen an unser Bayerisches Wirtschaftsarchiv. In unserer Ausstellung „UnternehmerGestalten: Bayerische Wirtschaftspersönlichkeiten aus zwei Jahrhunderten“ zum Tag der Archive am 3. März in der IHK-Akademie erinnern wir auch an die Eigentümer von Togal

Dr. Eva Moser, Leiterin des Bayerischen Wirtschaftsarchivs

Seit 175 Jahren Partner der Wirtschaft: Die IHK für München und Oberbayern

Am 7. April 1843 besteht die IHK für München und Oberbayern seit 175 Jahren.

Am 7. April 1843 „geruhte“ seine Majestät, der bayerische König Ludwig I., die Bildung einer Handelskammer in München zu genehmigen. Er ernannte 12 Mitglieder des Handels-, Fabrikanten und Gewerbsstandes zu deren Mitgliedern.

Unter dem Vorsitz des großen Industrie- und Eisenbahnpioniers Joseph Anton von Maffei nahmen sie ihre Arbeit auf. Sie hatten sich zur „pflichtgetreuen Erfüllung ihrer hochwichtigen Aufgabe“ bereit erklärt – nämlich die Regierung „in der Förderung des Gewerbefleißes und in der Beseitigung der ihrem Aufblühen entgegenstehenden Hindernisse durch ihren Rath und ihre Mitwirkung zu unterstützen“. Am 30. Oktober 1843, vormittags um 11 Uhr, trat das Gremium im Rathaus zu seiner ersten Sitzung zusammen. Regierungspräsident Joseph Hörmann von Hörbach rühmte in seiner Eröffnungsrede die 12 „wackeren Bürger, welche das Ehrenvolle des an sie ergangenen Rufes dankbar“ erkannt hätten.

Wenige Jahre später kam eine offizielle Zählung auf mehr als 250 Fabriken. Neben 34 Brauereien waren darunter aber weit über 100 Betriebe, die weniger als 10 Personen beschäftigten. Allerdings fauchten 1847 in der Königlichen Haupt- und Residenzstadt bereits 10 Dampfmaschinen mit einer Gesamtleistung von 141 PS.

Aus dem Zwölfer-Gremium der ausgehenden Biedermeierzeit entwickelte sich die größte der insgesamt 79 deutschen Industrie- und Handelskammern. Das Bayerische Wirtschaftsarchiv verwahrt die Überlieferung dieser traditionsreichen Institution und dokumentiert damit gleichzeitig auch den Strukturwandelt des oberbayerischen Raums zur führenden Wirtschafts- und Technologieregion Deutschlands.

Dr. Eva Moser, Leiterin des Bayerischen Wirtschaftsarchivs

Messen: ‎„Feste des Fortschritts“‎

Die Ursprünge der Messe in München liegen im 19. und 20. Jahrhundert. Das Bayerische Wirtschaftsarchiv betreut die Überlieferung der Messe von den ersten Anfängen bis heute.

Münchens Aufstieg zum internationalen Messeplatz setzte um die Mitte des 19. Jahrhunderts ein. Den Auftakt bildete die Allgemeine deutsche Industrie-Ausstellung 1854. Eigens für diese Schau hatte man den Glaspalast errichtet. Für die Kühlung der großen Halle sorgten drei Springbrunnen.

König Maximilian II. wollte mit dieser Präsentation ein Zeichen gegen die Vorrangstellung englischer Fabrikerzeugnisse und französischer kunstgewerblicher Produkte setzen. Trotz des Ausbruchs der Cholera in München kamen rund 200.000 Besucher. Rasch folgten weitere Ausstellungen, doch der Glaspalast wurde mehr und mehr zum Veranstaltungsort für Kunstausstellungen. Für die Industrie- und Gewerbeausstellungen ab den 1880er Jahren wurden provisorische Bauten am Isartorplatz und auf der Kohleninsel – der heutigen Museumsinsel – errichtet.

1888 veranstaltete der Allgemeine Deutsche Gewerbe-Verein anlässlich seines 40-jährigen Bestehens die I. Kraft- und Arbeitsmaschinen-Ausstellung. Carl Benz zeigte dort neben einigen Gasmotoren dem staunenden Publikum seinen Patentmotorwagen. Zehn Jahre später veranstaltete man die II. Kraft-und Arbeitsmaschinen-Ausstellung. Die 496 Aussteller kamen aus dem damaligen deutschen Reich und auch aus dem Ausland. Als besondere Attraktion wartete auf die 600.000 Besucher eine Wasserrutsche in die Isar mit einer Höhe von 13,5 Metern.

Allmählich setzte sich die Idee durch, ständige Bauten für alle künftigen Ausstellungen zu schaffen. Vor 110 Jahren – im Mai 1908 – eröffnete auf dem neu gebauten Messegelände auf der Theresienhöhe unter dem Titel „München 1908“ eine „Kunsthandwerks-, Industrie-, Gewerbe- und Handels-Ausstellung“. Dank einer modernen Öffentlichkeitsarbeit fand sie das Interesse von rund drei Millionen Besuchern. Bis zum Umzug der Messe München an den neuen Standort auf dem ehemaligen Flughafengelände in Riem 1998 war das Areal hinter der Bavaria Schauplatz für eine ständig wachsende Zahl an Messen und Ausstellungen.

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Die Gründung der Messe München GmbH 1964 legte den Grundstein für ein professionell gestaltetes Messewesen. Das BWA betreut die historische Überlieferung der Messegesellschaft, die auch Quellensplitter zum Ausstellungswesen des 19. Und frühen 20. Jahrhunderts enthält. Außerdem finden sich bildliche und schriftliche Zeugnisse zu Industrie- und Gewerbeschauen in den Sammlungsbeständen des BWA.

Dr. Richard Winkler, stv. Leiter des bayerischen Wirtschaftsarchivs

Rauschende Energie: Das Walchenseekraftwerk

Am 21. Juni 1918 – beschloss der Bayerische Landtag den Bau des Walchensee-Kraftwerks. Nach rund sechs Jahren Bauzeit nahm das Kraftwerk am 24. Januar 1924 die Arbeit auf.

Der Sage nach lebt im Walchensee ein gewaltiger Waller, der seine Schwanzflosse im Maul hält. Wenn die Sündenlast der Menschen des bayerischen Oberlandes zu groß wird, lässt er los und das Wasser tritt in einer riesigen Sintflut über die Ufer.

Ob der Elektrizitätspionier Oskar von Miller diese Geschichte kannte, ist nicht überliefert. Doch war er mit den besonderen Gegebenheiten des Alpensees bestens vertraut. Tatsächlich beschäftigte er sich schon Ende des 19. Jahrhunderts mit der Idee einer Nutzung des Höhenunterschieds von 200 Metern zwischen Walchen- und Kochelsee für die Gewinnung elektrischer Energie. Damit wollte er die Elektrifizierung Bayerns und seines Eisenbahnnetzes vorantreiben.

Die bayerische Staatsregierung schrieb 1908 einen Wettbewerb aus, doch es sollte noch zehn Jahre dauern, bis die Planungen für das Großprojekt abgeschlossen waren. Die umliegenden Gemeinden waren zunächst skeptisch. Mit der geplanten Absenkung des Walchensees und die Überleitung von Isarwasser in den See befürchteten die Gemeindeväter eine Schädigung der Umwelt und damit auch eine Beeinträchtigung des florierenden Fremdenverkehrs.

Vor 100 Jahren – am 21. Juni 1918 – beschloss der Bayerische Landtag den Bau des Walchensee-Kraftwerks. Bereits im November liefen die Arbeiten an. Auf der Baustelle waren in Spitzenzeiten bis zu 2.000 Arbeiter beschäftigt, darunter zahlreiche Heimkehrer aus dem Ersten Weltkrieg. Die Anlage gehört bis heute zu den größten Kraftwerken dieser Art in Deutschland: Sechs Rohre mit einer Länge von 430 Metern und einem Durchmesser von rund 2 Metern verbinden das Wasserschloss am Walchensee mit dem Generatorenhaus unten am Kochelsee. Die Arbeitsbedingungen – vor allem bei der Rohrverlegung durch den Berg – waren hart, 17 Arbeiter kamen ums Leben. Nach rund sechs Jahren Bauzeit speiste am 24. Januar 1924 die erste Turbine Strom in das Leitungsnetz ein.

Bei den Arbeiten am Walchenseekraftwerk kam das 1882 in Kempten gegründete und später nach München verlegte Unternehmen Alfred Kunz zum Einsatz, das große Erfahrungen im Bau von Wasserkraftanlagen hatte. Es führte den gesamten Kraftwerksbau einschließlich des Unterwasserkanals aus, außerdem die horizontale Druckrohrleitung, die Loisachanpassung und das Transformatorenhaus. Das Bayerische Wirtschaftsarchiv verwahrt die historische Überlieferung der bedeutenden Hoch- und Tiefbauunternehmung, die 1996 Insolvenz anmeldete.

Harald Müller M.A., Wiss. Mitarbeiter des Bayerischen Wirtschaftsarchivs

Das Münchner Traditionsunternehmen F. S. Kustermann

Die Geschichte des Münchner Unternehmens Kustermann geht auf das Jahr 1798 zurück. Das Bayerische Wirtschaftsarchiv zeigt die Geschichte von der Eisengießerei bis zum Haushaltswarengeschäft auf.

Aus einem Guss

Wenn in München früher ein heiratsfähiges Mädchen an jedem möglichen Hochzeitskandidaten etwas auszusetzen hatte, rieten ihm die genervten Familienangehörigen: „Dann gehst zum Kustermann und lasst Dir oan giassn!“

Das Sortiment der Eisengießerei Kustermann war in der Tat riesig und ließ keine Wünsche offen. Es reichte über Treppen, Säulen, Öfen, Friedhofskreuze und Laternen bis hin zu Brunnen. Das Unternehmen wirkte beim Bau von Brücken und an der Stahlkonstruktion des Münchner Hauptbahnhofs nach dem Zweiten Weltkrieg mit. Die Gullydeckel der Münchner Kanalisation stammten ebenfalls aus der Kustermann-Produktion.

Dabei waren die Anfänge des Betriebs recht bescheiden gewesen. 1798 – vor 220 Jahren – eröffnete der Eisenhammerwerksbesitzer Griesbauer ein Geschäft am Oberen Anger in München. Sein überschaubares Angebot an Eisenwaren umfasste auch Sensen und Strohmesser aus seinem Werk im kleinen Dörfchen Antwort am Chiemsee. 1832 übergab er das Eisengeschäft seinem Schwiegersohn Franz Seraph Kustermann. Unter der Leitung des ältesten Sohnes Max Kustermann setzte dann der große Aufschwung des Unternehmens ein, das sich seit 1854 „zu den Großbetrieben rechnen durfte“. In den 1870er-Jahren ließ Max Kustermann am Viktualienmarkt und Rindermarkt einen modernen Geschäftskomplex mit einer Verkleidung aus italienischem Marmor errichten.

Kurz zuvor hatte er ein großes Areal in Haidhausen an der Rosenheimer Straße nahe dem neu eröffneten Ostbahnhof erworben. Bereits 1877 entstanden dort eine große Eisengießerei sowie mechanische Werkstätten für Holz- und Eisenbearbeitung. Außerdem errichtete Kustermann in der Landsberger Straße ein großes Lager für den Handel mit Kohlen und Brennholz. Vor dem Ersten Weltkrieg umfasste das gesamte Anwesen in Haidhausen rund 17 Hektar. Es war über ein Industriegleis mit dem Ostbahnhof verbunden und verfügte dazu noch über 4.000 Meter Rangiergleise und Rollbahnen. Der Betrieb zählte rund 1300 Angestellte, Handwerker und Taglöhner.

Standesgemäß ließ sich der mit dem Titel eines Kommerzienrats ausgezeichnete Max Kustermann am Starnberger See eine Villa errichten. Außerdem baute er westlich von Tutzing das Gut Ilkahöhe mit Balkongittern aus eigener Herstellung. Unter dem Druck der Konzentration im Wirtschaftswesen wurden nach dem Zweiten Weltkrieg der Stahlbau und die Gießerei aufgegeben. Heute präsentiert sich das Familienunternehmen als Handelsbetrieb für Eisenwaren, Hausrat, Glas und Porzellan sowie Keramik.

Max Kustermann war für Innovationen sehr aufgeschlossen. So findet sich sein Unternehmen bereits im ersten offiziellen Münchner Telefonbuch von 1883. Das Bayerische Wirtschaftsarchiv betreut die historische Überlieferung der Firma F. S. Kustermann, zu der eine umfangreiche Katalogsammlung gehört.“

Dr. Eva Moser, Leiterin des Bayerischen Wirtschaftsarchivs

„Gut Holz!“‎: Handel mit einem nachwachsenden Rohstoff

Knapp ein Drittel des deutschen Schnittholzes wird von bayerischen Sägewerken produziert. Das Bayerische Wirtschaftsarchiv dokumentiert die Geschichte des Handels mit diesem nachwachsenden Rohstoff.

„Die Lage Münchens in der bayerischen Hochebene, am Fuße der Alpen mit ihren ausgedehnten Waldungen“ führte dazu, dass sich in der Isarmetropole ein bedeutender Holzgroßhandel ansiedelte, wie 1913 der Syndikus der IHK München, Dr. Julius Kahn, feststellte. So entstand 1880 die Firma Degginger & Hess, die Sägereiprodukte aus der Bukowina nach Deutschland importierte und dafür am Niederrhein ein großes Lager unterhielt. Sie wurde später durch das von Johann Christian Kloepfer und Otto Königer 1874 gegründete Großhandelsunternehmen Klöpfer & Königer übernommen, das einen Langholzhandel bis Holland betrieb und große Waldungen in Bayern und Österreich besaß.

Die steigende Bautätigkeit in den Städten des ausgehenden 19. Jahrhunderts, besonders in München, führte dazu, dass Holzmaterial für den Rohbau und die Innenausstattung stark nachgefragt war. Eisenbahnschwellen für die Staatsbahnen und mit Silberchlorid imprägnierte Stangen für die Telegrafen- und Telefonleitungen lieferte die in Brannenburg beheimatete Sägerei und Holzgroßhandlung von Kommerzienrat Otto von Steinbeis. Sein größtes unternehmerisches Projekt war ab 1892 die forstwirtschaftliche Erschließung und Nutzbarmachung der ausgedehnten Waldungen in Bosnien im Auftrag der österreichischen Regierung. Steinbeis ließ ein Netz von Waldbahnen sowie Sägewerke, eine Zellulosefabrik und einen Verladehafen für den firmeneigenen Spezialfrachter im kroatischen Šibenik errichten. Welche wirtschaftliche Bedeutung dem Holzhandel seinerzeit zukam, lässt sich auch daran ablesen, dass der Holzgroßhändler Hermann Kloepfer 1922 zu den Gründern der „Deutschen Stunde in Bayern“, der Vorläuferin des Bayerischen Rundfunks, gehörte. Sein Sohn Reinhart Kloepfer wurde 1945 als renommierte und politisch unbelastete Unternehmerpersönlichkeit der erste Nachkriegspräsident der IHK für München und Oberbayern.

Die Riemerschmid-Handelsschule für Mädchen

Im 19. Jahrhundert waren die Möglichkeit von Mädchen, einen Beruf zu ergreifen, sehr beschränkt. Erst der Likörfabrikant Riemerschmid erkannte die Misere und ergriff die Initiative. Er gründete die Riemerschmid-Handelsschule für Mädchen im Jahr 1862 in München.

Am 11. September öffnen sich wieder für Bayerns Berufsschüler die Schultüren. Vor rund 250 Jahren war das für Mädchen noch nicht üblich. Um ihre Bildung war es damals nicht zum Besten bestellt. Zwar nahm 1822 die erste städtische höhere Töchterschule in München den Betrieb auf. Doch erschlossen Einrichtungen wie diese kaum praktische Berufsmöglichkeiten. Viele Frauen waren damals nicht in der Lage, eine eigene Familie zu gründen oder sich ihren eigenen Lebensunterhalt zu verdienen. Die Arbeit in der Fabrik galt nicht als standesgemäß, sie waren auf Unterstützung angewiesen.

Es war der Münchner Likörfabrikant Anton Riemerschmid, der diese gesellschaftliche Problematik in ihrer ganzen Tragweite erkannte. Er rief 1862 auf eigene Kosten die erste Mädchenschule in Deutschland zur Ausbildung weiblicher Bürokräfte ins Leben. Unterstützung fand er bei seinem Prokuristen Matthias Reischle. Der gebürtige Augsburger hatte in Südeuropa gearbeitet und war geschäftlich viel im Orient auf Reisen gewesen, bevor er sich in München niederließ. Mit Ideenreichtum und Improvisationsgeschick wurde die Ausstattung der Schule organisiert.

Die Stadt stellte Schulbänke, Lehrerkatheder und Tafel zur Verfügung. Reischle verfasste ein Unterrichtswerk über Buchführung, das dann auch bei der städtischen Handelsschule für Knaben eingesetzt wurde. August Schimon, der Besitzer des Hotels „Vier Jahreszeiten“ stiftete 100 Gulden für Lehrmittel, die den Schülerinnen kostenlos zur Verfügung gestellt wurden. Sie hatten auch kein Schulgeld zu bezahlen. Der Unterricht teilte sich in Fächer wie kaufmännisches Rechnen, einfache und doppelte Buchführung, deutsche und französische Sprache. Das Aufnahmealter lag bei 13 Jahren. Gleich zu Beginn meldeten sich 43 Mädchen, allerdings schafften nur 25 Kandidatinnen den Schuleintritt.

Anton Riemerschmid setzte sich sehr für die Zukunft der Handelsschülerinnen ein und stellte gleich eine Absolventin bei sich ein. Auch die Augustinerbrauerei erkannte frühzeitig das Potenzial der Riemerschmid-Schülerinnen. Vor 120 Jahren ging schließlich 1898 die Trägerschaft der Lehranstalt unter dem Namen „Städtische Riemerschmid Wirtschaftsschule“ auf die Stadt München über.

Flimmernde Werbung

Wie die Werbung laufen lernte: Das Wirtschaftsarchiv zeigt frühe Zeugnisse filmischer Werbung - vom Kartoffelknödel bis zur Sparkasse.

Gestresste Hausfrauen atmeten auf, als der Unternehmer Werner Eckart 1949 erstmals seinen Fertigkartoffelknödel „halb und halb“ vorstellte. Kein lästiges und zeitraubendes Waschen, Schälen und Reiben – endlich „mit Pfanni mehr Zeit“, wie es in einer Werbung hieß. Rasch entstand in München hinter dem Ostbahnhof „Europas größte Knödelküche“. Ein Werksfilm zum 20-jährigen Jubiläum zeichnete unter dem schönen Titel „Eine Kartoffel macht Karriere“ den steilen Aufstieg des Unternehmens nach.

Anlässlich der langen Nacht der Museen am 20. Oktober zeigt das Bayerische Wirtschaftsarchiv die Filmrarität. Und es gibt noch weitere Highlights im Programm zur Museumsnacht: so z.B. einen Film der heute nicht mehr bestehende Münchner Traditionsdrogerie und Parfümerie Koron der Familie Reisinger zur Herstellung der „Colovan-Zahn-Kreme“ in München-Ramersdorf aus den 1920er-Jahren. Das seltene Filmdokument stellte Bernhard Reisinger zur Verfügung.

Damals begann in Deutschland der Siegeszug des Werbetrickfilms. Schokoladenfabriken und Waschmittelhersteller bedienten sich der animierten Streifen. Auch die Privatbank Schmidt aus Hof warb 1942 mit bewegten Zeichnungen für den Spargedanken: Im Gleichschritt ziehen Sparschweine und Spardosen in Richtung Bank, wo sie unter der Aufsicht eines gestrengen Schreibstifts ihre Groschen und Markstücke abliefern. Eigens für die Lange Nacht der Museen ließ das Wirtschaftsarchiv den Streifen mit Seltenheitswert wieder „in Form“ bringen.

Bereits zum dritten Mal können wir unseren Besuchern bei der Langen Museumsnacht bislang unbekanntes und reizvolles Filmmaterial präsentieren. Wir bieten aber auch nächtliche Führungen durch unsere Archivmagazine an.

Harald Müller M.A., Wiss. Mitarbeiter des Wirtschaftsarchivs

Wegbereiter der Süddeutschen Zeitung: August Schwingenstein (1881-1968)

Die Geschichte der Münchner Verlegerfamilie Schwingenstein zeichnet das Exponat im Monat November nach.

Er war ursprünglich Förster, dann Journalist und schließlich Zeitungsverleger und Politiker: der gebürtige Memminger August Schwingenstein. Vor fünfzig Jahren am 5. November ist der Mitbegründer der Süddeutschen Zeitung gestorben. Der Förstersohn trat zunächst in die Fußstapfen seines Vaters und absolvierte eine Lehre als Forsteleve in den Diensten des Fürsten Carl Fugger von Babenhausen in Schwaben. 1912 wurde er zum fürstlichen Titularförster befördert. Bei Kriegsausbruch 1914 musste er mit 33 Jahren zum Militärdienst beim Königlich Bayerischen Landwehr-Infanterie-Regiment Nr. 12 einrücken.

Nach dem Krieg drängte es ihn in die Politik. „Ich wollte dabei sein, das Vaterland wieder aufzubauen und neu einzurichten“, äußerte er rückblickend. Seine politische Heimat fand Schwingenstein beim Bayerischen Bauernbund. Nachdem er sich schon als junger Mann nebenbei journalistisch betätigt hatte, übernahm er bereits am 1. April 1919 die Redaktion des „Iller-, Roth- und Günzboten“, dem Presseorgan des Bauernbunds. Anderthalb Jahre später nahm er seinen Abschied bei der Fuggerschen Forstverwaltung und wechselte ganz zur Verlags- und Druckereigenossenschaft. 1924 schließlich übersiedelte er nach München und wurde Pressesprecher des Bayerischen Bauern- und Mittelstandsbundes im Landtag. 1931 kam es dort zu einer handgreiflichen Auseinandersetzung mit den NS-Abgeordneten Julius Streicher und Adolf Wagner, denen Schwingenstein „lausbubenhaftes Verhalten“ vorgeworfen hatte. Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten und der Ausschaltung der politischen Parteien hielt sich Schwingenstein zunächst mit einem Schreib- und Vervielfältigungsbüro über Wasser, wurde Leiter einer Druckerei und übernahm schließlich einen Zeitungs- und Romanverlag. Nach dem Zweiten Weltkrieg erhielt er zusammen mit Edmund Goldschagg und Franz Josef Schöningh von der amerikanischen Militärregierung am 6. Oktober 1945 die erste Lizenz für die Herausgabe einer demokratischen Zeitung in Bayern. Als Mitglied der 1945 gegründeten CSU nahm Schwingenstein 1946 an der Verfassunggebenden Versammlung auf Herrenchiemsee teil und saß bis 1948 im Landtag. 1951 ging er als Verlagsleiter der Süddeutschen Zeitung in Ruhestand. Seiner Leidenschaft für die Jagd blieb Schwingenstein bis zu seinem Tod 1968 verbunden.

Zu den wertvollen Beständen im Bayerischen Wirtschaftsarchiv gehört der Nachlass der Verlegerfamilie Schwingenstein. Er dokumentiert in herausragender Weise die bayerische Pressegeschichte, die von August Schwingenstein und seinem Sohn Alfred Schwingenstein (1919-1997) nachhaltig gestaltet und geprägt wurde.“

Eva Moser, Leiterin des Bayerischen Wirtschaftsarchivs

Ehrung für „höhere Kaufleute und Industrielle“‎

Der Titel des Kommerzienrats - was hat er zu bedeuten? Das Bayerische Wirtschaftsarchiv erläutert Ursprung und Bedeutung des Titels.

Der Schriftsteller Lion Feuchtwanger hat ihn in seinem 1930 erschienenen Roman „Erfolg. Drei Jahre Geschichte einer Provinz“ literarisch verewigt: den bayerischen Kommerzienrat, im Buch verkörpert durch Paul Hessreiter, Inhaber der fiktiven Süddeutschen Keramiken. Ursprünglich hatte König Ludwig II. 1880 die Auszeichnung bayerischer Unternehmer mit diesem höchst repräsentativen und nicht erblichen Ehrentitel begründet. Es war das Jubiläumsjahr, in dem Bayern 700 Jahre Wittelsbacher Herrschaft feierte. Entsprechend repräsentativ gestalteten sich die Verleihungsfestlichkeiten.

Das Auswahlverfahren für das Ehrenzeichen war streng. Der Kandidat hatte ein renommierter Großindustrieller oder Großhändler zu sein, musste soziales Verhalten gegenüber seiner Arbeiterschaft zeigen, in geordneten Verhältnissen leben und großzügig für wohltätige Zwecke spenden. Das Mindestalter lag bei 45 Jahren. Insgesamt 1850 Persönlichkeiten erhielten zwischen 1880 und 1928 den begehrten Titel. Es war eine bayerische Besonderheit, dass der Kommerzienrat nach dem Ende der Monarchie 1923 für fünf Jahre neu belebt wurde, obwohl die Reichsverfassung jegliche Titelvergabe untersagte. Eine Steigerung erfuhr die Ehrung, als Prinzregent Luitpold zum Jahresende 1907/08 erstmals Geheime Kommerzienräte ernannte. 1953 diskutierten die bayerischen Industrie- und Handelskammern über die Wiedereinführung. Anstoß war Baden, wo es damals tatsächlich noch Titelverleihungen gegeben hatte. Nahezu einmütig sprachen sich die bayerischen IHKs dann doch auf einer Vollsitzung der Präsidenten und Hauptgeschäftsführer gegen eine Neuauflage des Kommerzienrates aus.

Auch der Bayerische Landtag beriet noch 1962 über die Einführung alter bayerischer Titel wie den des Kommerzienrats, allerdings ohne positives Ergebnis. In der Überlieferung des Bayerischen Wirtschaftsarchivs findet sich eine Vielzahl von „betitelten“ Unternehmerpersönlichkeiten. Sie stehen für die Leistungsfähigkeit der bayerischen Wirtschaft und für ein besonderes Verantwortungsbewusstsein gegenüber Staat und Gesellschaft.

Dr. Richard Winkler, Stv. Leiter des Bayerischen Wirtschaftsarchivs