20.09.2016 - Ebersberg

"Unsere Arbeit sichtbar machen"

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Sonja Ziegltrum-Teubner, neue Vorsitzende des IHK-Regionalausschusses Ebersberg, über Ziele und Aufgaben ihres ehrenamtlichen Engagements.

Sonja Ziegltrum-Teubner hat in Sachen Flüchtlingsintegration einen kleinen Medien-Hype ausgelöst. In einer ZDF-Sendung und einem Beitrag von Zeit-Online hat sie erklärt, wie bürokratische Hürden und Abschiebe-Risiken Arbeitgebern das Leben schwer machen. Seit Mai ist die Chefin der Bayerischen Blumen Zentrale in Parsdorf Vorsitzende des IHK-Regionalausschusses Ebersberg und Mitglied der IHK-Vollversammlung. Im Interview mit „Wirtschaft Aktuell“ sagt Sonja Ziegltrum-Teubner, für welche Ziele sie sich engagieren will.

Sie waren schon Mitglied des Regionalausschusses. Jetzt sind Sie Vorsitzende. Was hat sich für Sie geändert?
Seit ich Vorsitzende bin, habe ich das Gefühl: Man hört jetzt tatsächlich auf meine Stimme. Das merken Sie ja auch: Sie lesen mich überall, Sie hören mich überall. (lacht)

Wie kamen Sie zu diesem Amt?
Mein Vorgänger Georg Reischl hat mich gefragt, ob ich Lust dazu habe. Er hat altersbedingt einen Nachfolger gesucht. Ich war seit Langem sein Wunschkandidat. Vor fünf Jahren habe ich noch Nein gesagt.

Warum haben Sie nun Ja gesagt?
Damals saß ich noch im Gemeinderat. Für den habe ich jetzt nicht mehr kandidiert. Das wäre mir alles zu etwas zu viel mit dem Ehrenamt. Ich habe mich jetzt für den Ausschuss-Vorsitz entschieden. Meine Interessen als Unternehmerin kann ich da besser vertreten als im Gemeinderat.

Was läuft denn aus Ihrer Sicht gut in der Wirtschaftsregion Ebersberg?
Wir haben seit Jahren einen guten Kontakt zur Politik. Das ist sicher eine gute Basis. Den heutigen Landrat Robert Niedergesäß kenne ich seit der Schulzeit. Als ich im Gemeinderat saß, war er Bürgermeister. Der hat für unsere Anliegen sicher ein offenes Ohr. Regionale Probleme können wir daher relativ gut anpacken. Wenn es um übergeordnete Dinge geht, wird es natürlich schwierig.

Verhält sich eine Frau in einer Führungsposition anders als ein Mann?
(überlegt) Ich denke schon. Als Frau hat man nie nur Job, da ist immer noch die Familie. Die Männer haben zwar auch Familie, aber zuhause eine Frau, die sich um alles kümmert (lacht).

Hat sich das in jüngster Zeit nicht dramatisch geändert? Es gibt heute doch viel mehr Mütter, die auch Karriere machen …
Ich spüre keine Veränderung. Es ist wirklich erstaunlich, wie sich die Rollenteilung hält. Als Frau habe ich immer die Familie im Hinterkopf – egal ob Arbeitszeiten oder Messebesuche. Mein Vater würde keine Sekunde lang daran denken. Im Gemeinderat saß ich damals mit einigen Frauen. Fast alle haben aufgehört. Es war immer das gleiche Thema: Was mache ich abends mit den Kindern? Wir mussten so gut wie immer einen Baby-Sitter suchen, weil die Männer nicht bereit waren, daheim zu bleiben oder extra deshalb früher aus der Arbeit heimzukommen.

Was haben Sie sich für die Arbeit Ihres Regionalausschusses vorgenommen?
Ich will die Vernetzung unter den Unternehmen fördern. Der Kontakt innerhalb des Gremiums war schon immer gut. Dafür hat Herr Reischl schon gesorgt. Vor jeder Sitzung haben wir einen Betrieb besichtigt. Das war eine gute Idee für den Zusammenhalt im Gremium. Ich will aber noch viele andere Unternehmen erreichen. Bislang wird IHK zu sehr auf die Begriffe Pflichtmitgliedschaft und Zwangsbeitrag reduziert. Das will ich ändern. Ich will zeigen, dass die IHK die Interessen der Unternehmen vertritt. Ich will unsere Arbeit sichtbarer machen.

Wie wollen Sie das erreichen?
Ein guter Anfang war unser erster Wirtschaftsempfang. Wir haben das im Klosterbauhof Ebersberg gemacht. Das Ambiente fanden alle schön. Wir hatten fast 300 Zusagen. Für eine Premiere ist das doch echt stark.

Integration von Flüchtlingen – auch ein Thema Ihres Regionalausschusses?
Für mich ist das ein wichtiges Thema, deshalb wird es auch für den Ausschuss ein wichtiges Thema sein. Wir müssen die Unternehmen sensibilisieren und Ängste nehmen. Integration läuft nur, wenn wir die Leute in Arbeit nehmen. Dann erledigt sich vieles von selbst.

Wie steht es mit dem Azubi-Mangel?
Die Ausbildung fördern – das wird sicher meine zweite Hauptaufgabe sein. Es gibt allerdings Unterschiede. Die kaufmännischen Berufe laufen noch gut, dramatisch ist die Entwicklung im Handwerk und im Gartenbau. Im Gartenbau habe ich selbst nur noch zwei Azubis. Wer da in Zukunft mit Fachkräften arbeiten will, wird es schwer haben.

Gibt es denn noch genügend Berufsschulen?
Das ist tatsächlich ein Problem. Die Standorte verschwinden nach und nach, weil wir keine Klassen mehr zusammenkriegen. Es erfordert viel Aufwand, um einige Berufe überhaupt noch zu beschulen: Blockunterricht, um Schüler aus einem größeren Umkreis zusammen zu kriegen. Das bedeutet lange Fahrzeiten mit Übernachtung, Unterbringung und so weiter. Auch das macht einige Berufe für Jugendliche und Eltern weniger attraktiv.

Sehen Sie in der Integration von Flüchtlingen eine Chance?
Es bleibt uns doch gar nichts anderes übrig. Meine Forderung an die Politik heißt: Das 3+2-Modell reicht nicht aus. Wir brauchen ein Einwanderungsgesetz. Wir brauchen diese Menschen dauerhaft im Land.

Die Bundesministerin Wanka fordert Betriebe dazu auf, selbst mehr für die Integration zu tun …
Das mag für Konzerne zutreffen. Richtig ist leider, dass einige Betriebe überhaupt nicht mehr ausbilden. Ich kenne aber viele mittelständische Familienbetriebe, die ausbilden – und die wollen Flüchtlingen definitiv eine Chance geben.

Ist die Breitbandversorgung in Ihrer Region ein Problem?
Hier in Parsdorf ganz sicher. Generell ist bei uns die Versorgung nicht optimal.

Woran liegt das? Heimatminister Söder hat Highspeed-Versorgung wie in Südkorea versprochen …
Ich weiß nicht, woran es klemmt. Was ich weiß: Als die ersten Betriebe hier ins Gewerbegebiet Parsdorf einzogen, waren die überrascht, wie schlecht das öffentliche Netz hier ist. Die waren die Versorgung aus München gewöhnt, die gibt es hier nicht. Außer man bezahlt 300 Euro extra im Monat, das wird dann richtig teuer. Verbesserungen gibt es nur dann, wenn die Gemeinden selbst das finanzieren.

Sie sind seit Mai auch Mitglied der IHK-Vollversammlung. Welche Themen wollen Sie dort vorantreiben?
Mindestlohn-Bürokratie, Arbeitszeit-Gesetz und diese ganzen Arbeitszeit-Nachweise – das ist ein Riesen-Thema nicht nur für die Gastronomie. Die Probleme haben wir auch im Gartenbau. Wir haben Spitzenzeiten, in denen machen wir dreimal so viel Geschäft wie in normalen Monaten. Das können wir niemals mit normalen Arbeitszeiten abdecken.

Wie machen Sie das dann?
Wir setzen Saisonarbeitskräfte ein. Die kommen seit 10 Jahren zu uns und wollen in zwei Monaten so viel Geld wie möglich verdienen. Die haben schon gedroht, sie kommen nicht mehr.

Warum drohen die damit?
Die sind sauer, weil sie weniger verdienen. Die wollen möglichst viele Arbeitsstunden machen. Jetzt muss ich nach 10 Stunden sagen: So. Jetzt ist Schluss. Ihr dürft auch nicht am Sonntag arbeiten. Das heißt für mich: Ich muss mehr Saisonarbeiter einstellen, die muss ich auch alle unterbringen. Wir müssen manchmal auch am Sonntag verkaufen, Ware kommissionieren und ausliefern. Da frage ich mich jedes Mal: Wie kriege ich das hin?

Das sind dann nach Berliner Sprachregelung Missstände, auf die Arbeitsministerin Nahles reagieren muss …
Ganz genau. Das Problem ist: Unternehmer, die heute Regeln brechen, machen das weiter. Unter den ganzen Auflagen leiden die Falschen. Das sind beispielsweise Arbeitnehmer, die – wie im Falle der Saisonarbeitskräfte – in kurzer Zeit viel verdienen wollen. Betroffen sind auch Unternehmer, die normal und ehrlich arbeiten. Es ist unglaublich, was man als Arbeitgeber heute als nachweisen muss.

Bundeswirtschaftsminister Gabriel hat Ihnen doch Entlastung versprochen. Spüren Sie etwas?
(lacht) Nein, überhaupt nicht. Ich bin sicher: Im Silicon Valley kennt keiner die Arbeitsmarkt-Regulierungen, die wir hier haben. Das gleiche gilt für die Integration von Flüchtlingen. Ich kann nicht ein Jahr lang warten, bis die Politik vernünftige Rahmenbedingungen geschaffen hat.

Wurden da nicht erste Hürden abgebaut?
Auf dem Papier vielleicht. Wir haben jetzt den Rias aus Pakistan als Azubi eingestellt. Bin gespannt, wie das von September an wird. Ich hoffe, dass der umziehen darf. Der lebt jetzt in Oberdorf bei Ebersberg. Während der Probezeit darf der seinen Wohnort nicht wechseln. Hoffentlich geht es danach. Sonst sehe ich nicht, dass der drei Jahre Ausbildung durchzieht.

Macht Ihnen das Ehrenamt auch Spaß?
Ja, natürlich. Man kommt in Kontakt mit vielen Leuten, die man sonst nicht kennengelernt hätte. Ich empfehle das auch anderen Unternehmern. Wer sich ehrenamtlich engagiert, schaut über den eigenen Tellerrand, die eigene Branche hinaus. Und das tut jedem gut.


Die Fragen stellte Martin Armbruster