Position

Regionalausschuss Berchtesgadener Land zur Kommunalwahl 2020

berchtesgaden_fotolia_95646716_jfl_photography
© JFL photography / fotolia

Der IHK-Regionalausschuss Berchtesgadener Land vertritt die IHK-zugehörigen Unternehmen im
Landkreis. Mit Blick auf die bevorstehenden Kommunalwahlen sind aus Sicht der regionalen Wirtschaft nachfolgende Handlungsfelder von besonderer Bedeutung für den Erhalt und die Stärkung des Wirtschaftsstandorts Berchtesgadener Land.

Inhalt

Nachhaltige Mobilität

Wirtschaft und Bürger benötigen eine leistungsfähige, nachhaltige und bezahlbare Mobilität. In einem Flächenlandkreis wie dem Berchtesgadener Land mit seinen besonderen geografischen Strukturen, ist der ÖPNV dabei eine wichtige, aber nicht die einzige zu berücksichtigende Verkehrsform. Alle Verkehrsträger: ÖPNV, Pkw, Lkw, Radverkehr oder Sharing-Angebote müssen angemessen berücksichtigt werden.
Für die Entlastung der Innenstädte der größeren Orte sowie der touristischen Zentren werden intelligente Verkehrsleitsysteme und ausreichend dimensionierte Park+Ride Parkplätze mit einer entsprechenden Anbindung an den ÖPNV benötigt.
Die verschiedenen Mobilitätsangebote müssen landkreisweit verknüpft werden. Idealerweise können Bürger, Unternehmen und Touristen sich in Echtzeit auf einer digitalen Plattform über alle relevanten Verkehrsthemen informieren, von ÖPNV Verbindungen über verfügbare Parkplätze bis hin zu Staus und Wartezeiten.
Bei der Ausgestaltung von Netzplänen; Verbindungen und Takten sollte neben den Belangen von Schülern und Touristen auch die Bedarfe von Berufspendlern und Auszubildenden Berücksichtigung finden.
Die Unternehmen im Landkreis benötigen angemessene und bedarfsgerechte Regelungen für den gewerblichen LKW-Verkehr, insb. im Hinblick auf Quell- und Zielverkehre. Pauschale Einschränkungen und Streckensperrungen schaden den einheimischen Betrieben.
In der mittel- und langfristen Verkehrsplanung bedarf es einer landkreisübergreifenden Perspektive, insb. in Richtung Traunstein und Salzburg. Die regionale Wirtschaft sieht unverändert Bedarf für eine
weitere Salzachbrücke.

Digitale Infrastruktur stärken

Eine leistungsfähige IKT-Infrastruktur in allen Kommunen des Landkreises ist eine zentrale Voraussetzung für die digitale Zukunft der Unternehmen. Dazu müssen die immer noch vorhandenen Lücken und „weißen Flecken“ schnellstmöglich geschlossen werden. Anstelle der Hochleistungsanbindungen von Freizeiteinrichtungen oder touristischen Hotspots (z.B. die Glasfaserleitung durch den Königsee) sollte der Fokus sich am Bedarf der regionalen Unternehmen orientieren.
Die permanent steigenden Anforderungen erfordern eine ebenso kontinuierliche Fortführung des
Breitband- und Mobilfunkausbaus. Der terrestrische Ausbau sollte daher ausschließlich mit Glasfaser durchgeführt werden und die Anbindung in jedem Fall bis ins Gebäude (sog. FTTB oder FTTL) erfolgen. Ziel muss eine 100%ige Versorgung des gesamten Landkreises mit Glasfaseranschlüssen sein, auch mit Blick auf neue Arbeitsformen, Homeoffice u.ä..
Ein zuverlässiges Mobilfunknetz ist nicht nur die notwendige Grundlage für zeitgemäßes, digitales
mobiles Arbeiten. Bestehende Funklöcher in den aktuellen Mobilfunknetzen im Landkreis müssen
daher zügig und flächendeckend beseitigt werden. Mindestens entlang aller Straßen- und Schienenwege, in Siedlungs- und Gewerbegebieten ist eine lückenlose Netzabdeckung erforderlich. Zudem benötigt die Wirtschaft Informationen über den Stand von Planungen.

Fachkräfte sichern

Der Mangel an Fachkräften und Auszubildenden wird von den Unternehmen im Landkreis als einer der größten Risikofaktor für die Zukunft genannt. Die Situation wird durch den grenzüberschreitenden Wettbewerb aus Salzburg im Vergleich zu den Nachbarlandkreisen zusätzlich belastet. Zur Lösung sind vielfältige Maßnahmen erforderlich. Die unterdurchschnittliche Beschäftigungsquote bei Frauen weist auf ein brachliegendes Fachkräftepotenzial hin. Dieses könnte durch den flächendeckenden Ausbau flexibler Betreuungsstrukturen, sowohl für Kinder bis zu zwölf Jahren als auch für pflegebedürftige Angehörige, gehoben werden.
Gleichzeitig müssen Schulen und insbesondere die Berufsschule für eine flächendeckende Versorgung der Region gesichert werden. Der Landkreis Berchtesgadener Land braucht ein eigenes Schwerpunktangebot für die berufliche Fort- und Weiterbildung. Dem Projekt „Campus Chiemgau“ in Traunstein hat der Landkreis bisher nichts entgegenzusetzen.
Viele Fachkräfte haben darüber hinaus einen Migrationshintergrund. Kostenlose Deutschkurse, eine gezielte Integration von Ausländern sowie eine Willkommenskultur im Landkreis sind essentielle Voraussetzungen beim Kampf um die besten Fachkräfte.
Bei der Vergabe der Mittel sollte der Landkreis deutlich stärker als bisher zukunftsfähige Branchen bzw. Themen priorisieren und fördern.

Flächen für Gewerbe und Wohnen

Das Thema bezahlbarer Wohn raum steht in engem Zusammenhang mit der Fachkräftesicherung. Die Verfügbarkeit von bezahlbarem Wohnraum für Bezieher niedriger aber auch mittlerer Einkommen hat unmittelbaren Einfluss auf die Fachkräftesituation im Landkreis. Die Topographie, die Nähe zur Großstadt Salzburg, aber auch die Belange von Naturschutz und Tourismus erschweren die Möglichkeiten im Vergleich zu anderen Regionen deutlich.
Ziel muss es daher sein, vorhandene Flächen konsequent und unter Nutzung aller rechtlichen Möglichkeiten, insb. die konsequente Ausschöpfung der Möglichkeiten des Baurechts, zu nutzen.
Aufwändige, komplexe und unnötig detaillierte kommunale Bauleitpläne müssen vereinfacht und verschlankt werden. Brachliegende innerörtliche Flächen sollten aktiviert und für leerstehende Immobilien bei Bedarf eine Umnutzung ermöglicht werden. Weitere Chancen ergeben sich durch eine systematische Nachverdichtung, z.B. durch höhere Geschossflächenzahlen, den Ausbau von Dachgeschossen, Neubauten in Stelzenbauweise oder grundsätzlich mehrgeschossige Gewerbebauten.
Aus Sicht der Wirtschaft sind alle Kommunen aufgefordert, eine aktive Flächenvorsorge zu betreiben. Gleiches gilt für Gewerbeflächen. Ausreichender Gewerbegrund ist für Bestandsunternehmen wie neue Betriebe essentiell. Landkreis und Kommunen sind aufgefordert, eine vorausschauende Planung von Gewerbeflächen vorzunehmen, um der regionalen Wirtschaft Entwicklungsperspektiven zu bieten. Auch dies kann durch eine aktive Flächenvorsorge erheblich erleichtert werden.
Die interkommunale Zusammenarbeit muss ausgebaut werden. Im ersten Schritt sollten daher alle Landkreiskommunen Mitglied im „Zweckverband Gewerbeflächenmanagement Berchtesgadener Land“ werden. In der Folge sollte der Aufgabenbereich des Zweckverbands auch um das Thema Wohnraum erweitert werden.

Bürokratieabbau

Zu den größten Herausforderungen im Landkreis Berchtesgadener Land zählt aus Sicht der regionalen Betriebe der Bürokratieabbau. Eine bürokratiearme Verwaltung bringt Zeit- und Kostenersparnisse für beide Seiten, Unternehmen wie Verwaltung. In einer immer schnelleren und agileren Wirtschaft müssen Verwaltungs-, insbesondere Genehmigungs- verfahren vereinfacht und beschleunigt werden. Dies kann nur durch eine zügige und konsequente Digitalisierung der Angebote erreicht werden. Andere oberbayerische Landkreise, wie z.B. Ebersberg und Traunstein haben mit der Zertifizierung nach RAL „Gütezeichen Mittelstandsorientierte Verwaltung“ neue Wege zur Optimierung der Verwaltungsabläufe beschritten. Die regionale Wirtschaft fordert den Landkreis Berchtesgadener Land auf, sich unverzüglich für eine entsprechende Zertifizierung einzusetzen.

Zusammenarbeit

Die Unternehmen und Betriebe der regionalen Wirtschaft sind ein fundamentaler Bestandteil der Gesellschaft. Sie schaffen und sichern Arbeits- und Ausbildungsplätze und tragen mit ihren Steuern und Abgaben zur guten finanziellen Ausstattung der Kommunen bei. Im Gegenzug erwarten die Unternehmerinnen und Unternehmer ein faires, wertschätzendes und partnerschaftliches Miteinander von Politik und Wirtschaft. Dies gilt insb. für die Zusammenarbeit mit den Trägern öffentlicher Belange, wie z.B. das Wasserwirtschaftsamt, die unteren Natur- und Denkmalschutzbehörden u.a.. Die jeweiligen politischen Mandatsträger, insb. Landrat und Bürgermeister, stehen als Verwaltungschefs dabei in der Pflicht, dies auch in ihren Verwaltungen umzusetzen.