Fachkräfte sichern
Der IHK-Fachkräftemonitor Bayern prognostiziert alleine in Bayern einen Fachkräftemangel von rund 425.000 Personen im Jahr 2030. Dies ist vor allem auf den demografischen Wandel zurückzuführen. Aktuell fehlen bereits knapp 115.000 beruflich Qualifizierte und knapp 25.000 Akademiker.
Auf einen Blick
Der größte Mangel herrscht bei den technischen Berufen. Beratende und wirtschaftsnahe Dienstleister haben den größten absoluten Bedarf. Für die Unternehmen ist der Fachkräftemangel seit Jahren ein enormes Problem. In der letzten IHK-Konjunkturumfrage wurde ein neuer Negativrekord erreicht: Jedes zweite bayerische Unternehmen sieht hierin ein Geschäftsrisiko. Gleichzeitig wird die Digitalisierung zu ähnlich starken Veränderungen in Unternehmen führen wie seinerzeit die Industrialisierung. Bestimmte Berufsbilder werden verschwinden und dafür neue entstehen. Zudem werden sich die Anforderungen an die Beschäftigten verändern. Digitale Kompetenzen werden an Bedeutung gewinnen. Dem lebenslangen Lernen wird eine Schlüsselrolle zukommen. Um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken und den durch die Digitalisierung ausgelösten Wandel erfolgreich zu meistern, muss an drei Bereichen angesetzt werden:
- Fachkräfte entwickeln
- Zusätzliche Fachkräftepotenziale heben
- Arbeitsmarktorientierte Zuwanderung steuern
Den Unternehmen gehen die Fachkräfte aus. Attraktive Arbeitsbedingungen für Azubis, Eltern und Ältere reichen mittlerweile aber nicht aus. Hier ist auch die Politik gefordert, die Rahmenbedingungen so zu setzen, dass die Unternehmen ausreichend Fachkräfte finden können.
Bildungspotentiale ab der Kita bestmöglich ausschöpfen
Derzeit verlassen noch immer zu viele Jugendliche die Schulen ohne oder nur mit mangelhafter Ausbildungsreife. In der bundesweiten IHK-Ausbildungsumfrage 2016 haben 54 % der Unter-nehmen die Ausbildungsreife kritisch bzw. als mangelhaft beurteilt. Mit einem verpflichtenden Vorschuljahr, einem Rechtsanspruch auf einen Ganztagsschulplatz ab dem Jahr 2020, der gezielten Förderung von digitaler Kompetenzen sowie einer besseren Berufs- und Studienorientierung an Schulen könnten die Potenziale besser gefördert werden.
Duale Ausbildung stärken
Der größte Mangel an Fachkräften besteht auch mittelfristig im Bereich beruflich Qualifizierter. Eine attraktive, moderne und starke duale Berufsausbildung ist für die künftige Fachkräftesicherung eine unverzichtbare Säule. Die Maßnahmen der Allianz für Aus- und Weiterbildung sollten daher konsequent umgesetzt werden.
Weiterbildung während der gesamten Erwerbstätigkeit intensivieren
Weiterbildung muss während der gesamten Erwerbstätigkeit selbstverständlicher werden. Anreizmechanismen wie zielgruppenorientierte Prämien- und Gutscheinmodelle, fundierte Beratungsangebote sowie geeignete Zertifizierungs- und Suchsysteme können hierzu wertvolle Impulse liefern. Regionale Qualifizierungsoffensiven und Kompetenzzentren können beim Aufbau digitaler Kompetenzen einen wertvollen Beitrag leisten.
Forderungen
- Vorhandene Fachkräftepotenziale im Inland durch verstärkte Bildungsanstrengungen nutzen
- Digitale Kompetenzen auf allen Ebenen fördern
- Aufbau digitaler Kompetenzen durch regionale Qualifizierungsoffensiven und Kompetenzzentren
Erwerbstätigkeit von Frauen steigern
Zwar ist die Erwerbsbeteiligung von Frauen in den letzten Jahren deutlich gestiegen. Mit 69% liegt sie aber noch immer niedriger als die der Männer (78 %). Zudem arbeiten 55 % der erwerbstätigen Frauen in Teilzeit. Ursächlich hierfür ist vorrangig die Betreuung von Kindern oder die Pflege von Angehörigen. Um die Beteiligungsquote weiter zu steigern, sollte der bedarfsgerechte und flächendeckende Ausbau der Ganztagesbetreuung bis 12 Jahre forciert sowie die Betreuung auch an Randzeiten (vor 8 Uhr und nach 17 Uhr), an Wochenenden und in den Ferien sichergestellt werden. Bei der Vereinbarkeit von Beruf und pflegerischen Aufgaben würden den Unternehmen und Mitarbeitern Beratungs- und Informationsangebote helfen. Daneben ist die Förderung eines breiten Berufswahlspektrums im Rahmen der Berufsorientierung eine zentrale Voraussetzung für den beruflichen Aufstieg von Frauen. Gesetzliche Vorgaben zur Entgeltgestaltung oder Frauenquoten gehen hingegen an den Ursachen vorbei und führen lediglich zu zusätzlicher Bürokratie. Ebenso ist ein Rechtsanspruch auf Rückkehr von Teilzeit in Vollzeit abzulehnen, da Teilzeitkräfte bereits jetzt bei der Besetzung von Vollzeitstellen bevorzugt berücksichtigt werden müssen.
Leistungspotentiale Älterer länger nutzen
Die Beschäftigungsquote der 50-65 Jährigen liegt mittlerweile in Bayern bei über 50 %. Trotz dieser erfreulichen Entwicklung ist noch viel zu tun, da Ältere angesichts der demografisch bedingten Fachkräftelücke möglichst lange erwerbstätig bleiben sollten. Eine Flexibilisierung des Renteneintritts ist grundsätzlich sinnvoll, ebenso wie Erleichterungen der Erwerbstätigkeit während der Rente. Neben finanziellen Anreizen sollten sachgrundlose Befristungen für Rentner vereinfacht werden. Bislang ist eine Weiterbeschäftigung beim früheren Arbeitgeber nur möglich, wenn eine solche zeitlich begrenzte Beschäftigung noch vor Renteneintritt vereinbart wird. Bei der betrieblichen Gesundheitsförderung sollte die Freiwilligkeit der Leistungen unbedingt erhalten bleiben. Bereits 90 % der Betriebe haben betriebliche Gesundheitsmaßnahmen eingeführt oder konkret geplant. Gesetzliche Regelungen erschweren passgenaue Lösungen sowie die Positionierung als attraktiver Arbeitgeber.
Auswanderung von Fachkräften reduzieren
Jedes Jahr verlassen laut einer OECD-Studie rund 140.000 Deutsche das Land. Rund 3,4 Mio.
in Deutschland geborene Menschen leben derzeit in einem anderen OECD-Land. Das Bildungsniveau der Auswanderer ist hoch und sogar steigend. Die Politik ist gefordert, dieses wertvolle Fachkräftepotenzial im Lande zu halten bzw. wieder nach Deutschland zurückzuholen. Hierzu müssen die Ursachen der Abwanderung identifiziert und gezielt gegengesteuert werden.
Potenziale von Fachkräften mit Behinderung besser nutzen
Menschen mit Behinderung haben oft einen schwereren Zugang zum Arbeitsmarkt und sind stärker von Arbeitslosigkeit betroffen. Zu kurz gedacht wäre es, schlicht die Beschäftigtenquote oder die Ausgleichsabgabe zu erhöhen. Eine solche Regelung wird die Integration von Menschen mit Behinderung in den Arbeitsmarkt nicht voranbringen, sondern nur den bürokratischen Aufwand in den Unternehmen erhöhen. Zielführend wären bessere Informationen auch über die vielfältige Förderung und Unterstützung für Arbeitgeber und ihre behinderten Mitarbeiter/-innen. Die Unsicherheit über die Kündbarkeit von Behinderten sollte ausgeräumt werden
Forderungen
- Bedarfsgerechter und flächendeckender Ausbau der Ganztageskinderbetreuung bis 12 Jahre
- Sachgrundlose Befristung für Rentner ausweiten
- Betriebliche Gesundheitsförderung freiwillig belassen
- Ursachen der Auswanderung identifizieren und gegensteuern
- Unsicherheit über Kündbarkeit von Behinderten entgegentreten
Neben der Erschließung der hiesigen Potenziale braucht die deutsche Wirtschaft die dauerhafte Zuwanderung von ausländischen Fachkräften. Die aktuell zu uns kommenden Flüchtlinge können den steigenden Fachkräfteengpass kurz- und mittelfristig nicht lösen. Und auch wenn die Zuwan-derung aus europäischen Ländern aktuell Spitzenwerte erreicht, braucht Deutschland verstärkt auch die Zuwanderung aus Nicht-EU-Ländern. Die in den letzten Jahren vorgenommenen Vereinfachungen bei der Zuwanderung von Fachkräften, wie die Blue Card, gehen zwar in die richtige Richtung, reichen aber nicht aus. Um mehr arbeitsmarktorientierte Zuwanderung aus Nicht-EU-Ländern zu bekommen, braucht es ein einfaches, attraktives und transparentes Verfahren. Die Steuerung könnte über die Festlegung jährlicher Zuwanderungskontingente sowie einer bedarfsgerechten Gewichtung von Kriterien wie Qualifikation, Berufserfahrung, Alter, Sprachkenntnisse und Erfordernisse auf dem Arbeitsmarkt erfolgen. Wirtschaft und Politik müssen weltweit für den Arbeitsort Deutschland werben. Hierzu muss klar ausgedrückt werden, dass generell ausländische Fachkräfte – und nicht nur Hochqualifizierte – in Deutschland willkommen sind.
Forderung
- Steuerung arbeitsmarktorientierter Zuwanderung über ein einfaches, attraktives und transparentes System
- Festlegung von jährlichen Zuwanderungskontingenten
Zum Download
Der künftige Bundestag muss die Weichen für den deutschen Arbeitsmarkt neu stellen. Dazu gehört für IHK-Hauptgeschäftsführer Peter Driessen vor allem mehr Flexibilität - eine Notwendigkeit, die sich aus der fortschreitenden Digitalisierung ergibt. #wirtschaftwählt.