Frauen in der Wirtschaft
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- Frauen in Vorständen - Zweites Führungspositionengesetz in Kraft getreten
- Status quo: Das Potenzial der Frauen wird noch nicht ausgeschöpft
- Die Erwerbstätigkeit von Frauen in Europa und Deutschland
- Traditionelle Geschlechter- und Familienrollen
- Zu wenig Frauen in Führung
- Gehaltslücke zwischen Männern und Frauen
- Studienergebnisse sprechen für mehr Frauen und gemischte Teams
- Das Ziel: mehr Frauen für Fach- und Führungsaufgaben
- Der Weg: traditionelle Rollenbilder weiter aufbrechen
- Betriebspraxis: Tipps für mehr Chancengerechtigkeit
Einleitung
Die IHK München und Oberbayern macht sich stark für mehr Frauen in der Wirtschaft. Auch wenn Frauen immer mehr in den Fokus oberbayerischer Unternehmen rücken, werden ihre Potenziale noch längst nicht voll ausgeschöpft. Das Ziel der Wirtschaft sowie der Politik muss sein, die erforderlichen Rahmenbedingungen zu schaffen, damit Frauen ihre Kompetenzen und Möglichkeiten quantitativ und qualitativ besser in die Unternehmen einbringen können. Arbeitgeber sichern sich auf diese Weise wertvolle Fach- und Führungskräfte, stellen sich nach außen als attraktive und moderne Unternehmen dar und steigern so ihren Erfolg. Zugleich gilt natürlich: Erwerbstätigkeit, der Anspruch auf Führungsfunktionen, die Rolle als Unternehmerin – diese Wahlfreiheit und Selbstverwirklichung steht Frauen ganz selbstverständlich ebenso wie den Männern zu und darf nicht an traditionellen Rollenstereotypen oder mangelnden Rahmenbedingungen scheitern. Zusätzlich sichert ein Mehr an Gründerinnen und Unternehmerinnen langfristig die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts München und Oberbayern. Das Ziel muss mehr Chancengerechtigkeit sein.
Für große deutsche Unternehmen, für Unternehmen mit Bundesbeteiligung sowie für bestimmte Spitzenposten im öffentlichen Dienst gelten mit dem Führungspositionengesetz FüPoG II ab dem 12. August 2021 weitere Vorgaben für mehr Geschlechtergerechtigkeit in den Vorstands- und Aufsichtsgremien. Damit wird das FüPoG I aus 2015 mit dem Ziel weiterentwickelt, dass mehr hoch qualifizierte Frauen ins Top-Management aufsteigen können. Die wichtigsten Regelungen des FüPoG II im Überblick.
Mindestbeteiligungsgebot: Besteht der Vorstand eines börsennotierten und zugleich paritätisch mitbestimmten Unternehmens aus mehr als drei Mitgliedern, so muss er künftig mit mindestens einer Frau und mindestens einem Mann besetzt sein. Das Mindestbeteiligungsgebot gilt bei Bestellungen ab dem 1. August 2022. Bestehende Mandate können bis zu ihrem vorgesehenen Ende wahrgenommen werden.
Berichtspflicht der Zielgröße Null: Unternehmen, die für den Vorstand, für die beiden obersten Führungsebenen unterhalb des Vorstands und für den Aufsichtsrat die Zielgröße angeben, müssen dies künftig begründen. Im Handelsbilanzrecht werden jeweils entsprechende Berichtspflichten eingeführt.
Sanktionsmechanismus verschärft: Bei Verletzung von Berichtspflichten im Zusammenhang mit der Festlegung von Zielgrößen wird der Sanktionsmechanismus verbessert. Bei Verstößen droht ein empfindliches Bußgeld.
Auszeit für Mutterschutz, Elternzeit und Pflege von Angehörigen: Das Gesetz schafft zudem die Möglichkeit für Geschäftsleitungsmitglieder, in den Fällen Mutterschutz, Elternzeit, Krankheit und Pflege eines Familienangehörigen eine „Auszeit“ zu nehmen. Den Geschäftsleitungsmitgliedern wird ein Recht auf Widerruf der Bestellung für bestimmte Zeiträume eingeräumt; nach der "Auszeit" besteht ein Anspruch auf erneute Bestellung als Geschäftsleitungsmitglied. In den Fällen des Mutterschutzes muss der Aufsichtsrat die „Auszeit“ gewähren, ohne dass es einer Abwägung bedarf oder dem Verlangen ein wichtiger Grund entgegengehalten werden kann.
Regelungen für Bundesunternehmen/Sozialversichungseinrichtungen/Bundesagentur für Arbeit: Für Unternehmen mit Mehrheitsbeteiligung des Bundes gilt - unabhängig von Börsennotierung und Mitbestimmung - bereits bei mehr als zwei Mitgliedern im Geschäftsführungsorgan eine Mindestbeteiligung von je einer Frau und einem Mann. Außerdem wird die feste Quote von mindestens 30 Prozent Frauenanteil auf die Aufsichtsräte dieser Unternehmen übertragen. Die Mindestbeteiligung gilt ab sofort auch für die Leitungsorgane der Körperschaften im Bereich der Sozialversicherung - mehrköpfige Vorstände der gesetzlichen Krankenkassen, die Geschäftsführungen der Renten- und Unfallversicherungsträger, das Direktorium der Deutschen Rentenversicherung Bund sowie den Vorstand der Bundesagentur für Arbeit. Die Bundesverwaltung muss bis zum Ende des Jahres 2025 annähernd Parität auf allen Führungsebenen erreichen. Die Vorgaben des Bundesgremienbesetzungsgesetzes werden auf Aufsichtsgremien und wesentliche Gremien ausgeweitet, bei denen der Bund nur zwei Mitglieder bestimmen kann. In der Bundesverwaltung werden Gleichstellungsbeauftragte, Gleichstellungspläne sowie Gleichstellungsaspekte gestärkt.
Hintergrund: Die fixe Mindestquote für die Aufsichtsräte börsennotierter und paritätisch mitbestimmter Unternehmen hat seit ihrer Einführung 2015 zu einem signifikanten Anstieg des Frauenanteils in den betroffenen Aufsichtsräten geführt. Dort hat sich der Frauenanteil von 25 Prozent in 2015 auf 35,9 Prozent in 2021 erhöht. Bei den nicht betroffenen Unternehmen lag der Frauenanteil im Aufsichtsrat in 2018 dagegen nur bei 21,6 Prozent. Auch in den Vorständen lag der Frauenanteil in den Unternehmen deutlich höher, die eine fixe Mindestquote in den Aufsichtsräten gemäß FüPoG I umsetzen mussten (14,1 Prozent versus 8,6 Prozent). Fast 80 Prozent der Unternehmen geben bislang für ihre Vorstände die Zielgröße null oder gar keine Zielgröße an. Und in fast allen Dienststellen des Bundes sind weniger Frauen als Männer in Leitungsfunktionen.
Status quo: Das Potenzial der Frauen wird noch nicht ausgeschöpft
Heute ist das durchschnittliche Qualifikationsniveau von Frauen höher als jemals zuvor – und wächst weiter. Deutschlandweit stellen Frauen mehr als 50 Prozent der Abiturienten und Hochschulabsolventen sowie fast 45 Prozent der Promovierten. Trotz dieser guten Zahlen nutzt die Wirtschaft das Potenzial weiblicher Fach- und Führungskräfte bisher noch unzureichend aus.
Die Erwerbstätigkeit von Frauen in Europa und Deutschland
Im Jahr 2021 gingen hierzulande 77,1 % der Frauen in der Altersgruppe von 20 bis 64 Jahren einer Arbeit nach. Zum Vergleich: Die Erwerbstätigenquote der Männer im Alter von 20 bis 64 Jahren lag 2021 bei 84,1 %.
Im Vergleich zu anderen europäischen Ländern weist somit Deutschland nach Angaben von Eurostat die achthöchste Erwerbstätigenquote von Frauen. Diese Quote ist z.B. in Schweden mit 78,1 % oder in Estland mit 79,9 % noch höher. Am niedrigsten ist die Quote im europäischen Vergleich in den Ländern Italien (55,0 %) und Griechenland (54,5 %).
Grundsätzlich stieg in Deutschland die Erwerbstätigenquote von Frauen in den vergangenen zehn Jahren deutlich an. Im Jahr 2007 lag sie noch bei 66,7 %. Der größte Zuwachs fand bei älteren Frauen statt: Waren 2007 nur 24,9 % der 50- bis 64-Jährigen erwerbstätig, ist diese Zahl im Jahr 2017 auf 53,3 % angestiegen.
Mehr Erwerbstätigkeit durch Teilzeitbeschäftigungen
Zwar sind zunehmend mehr Frauen erwerbstätig, der Anstieg ist jedoch hauptsächlich auf Teilzeitbeschäftigungsverhältnisse zurückzuführen. Dabei fällt auf, dass der Anteil der in Vollzeit arbeitenden Frauen in den vergangenen Jahren zurückgegangen ist, während die Zahl der Teilzeitarbeitsverhältnisse gestiegen ist. In der Folge verliert der Arbeitsmarkt an Leistungskraft.
Traditionelle Geschlechter- und Familienrollen
Ein Grund für den im internationalen Vergleich hohen Anteil an Teilzeitarbeitsverhältnissen ist die in Deutschland noch recht traditionelle geschlechterspezifische Rollenverteilung. Die Familienarbeit gilt auch heute nach wie vor als Aufgabe der Frauen, Führung ist auch heute noch in vielen Köpfen Männersache. Die „Vereinbarkeit von Familie und Beruf“ wird dabei durch mangelnde Rahmenbedingungen erschwert. Neben flächendeckend vorhandenen, flexibel arbeitenden Kitas ist vor allem auch die Ganztagsbetreuung in Schulen bis zum 12. Lebensjahr eine wichtige Bedingung für eine gute Vereinbarkeit, die aber noch nicht flächendeckend umgesetzt ist. In Folge arbeiten viele Frauen mit Kindern oder pflegebedürftigen Angehörigen in Teilzeit oder phasenweise gar nicht. Dies macht sich beim Erwerbseinkommen und später bei der Rente bemerkbar.
Zu wenig Frauen in Führung
Eine Folge der Teilzeitarbeit ist auch, dass nach wie vor zu wenig Frauen in Führungspositionen gelangen. An Führungskräfte gestellte Ansprüche mit langen Arbeitszeiten, ständiger Erreichbarkeit und Präsenz sind mit Teilzeitarbeit und Kinderbetreuung kaum vereinbar und mehr an der klassischen Lebenswirklichkeit der Männer orientiert. In Teilzeit arbeitende Frauen können diese Anforderungen in der Regel nicht erfüllen. Aktuelle Statistiken zeigen, wie Frauen prozentual auf welchen Positionen vertreten sind:
- 51,7 % Hochschulabsolventinnen (2020)
- 46,9 % Erwerbstätige (2021)
- 40 % Mittleres Management (2020)
- 27 % Top-Management (2020)
- 15 % Vorstandsmitglieder in den 200 größten deutschen Unternehmen (2021)
(Quellen: Destatis, Bundesagentur für Arbeit, IAB, DIW 2022)
Gläserne Decken
Neben der mangelnden Vereinbarkeit von Familie und Beruf sind auch hier Geschlechterstereotype mitverantwortlich dafür, dass es im Mittel- und Topmanagement noch zu wenig Frauen gibt. So stoßen Frauen an gläserne Decken, die in den Unternehmen ganz unterschiedlich stark ausgeprägt sind. Verstärkt wird die gläserne Decke durch das Prinzip der homosozialen Reproduktion. Das heißt: Die Personengruppe an der Spitze zieht immer wieder ihresgleichen nach. Da derzeit noch mehrheitlich Männer an der Spitze von Unternehmen sind, rekrutieren sie als Nachfolger oder Mitstreiter bevorzugt wieder Männer oder Söhne.
Stoßen Frauen in ihrer Karriere auf solche Widerstände orientieren sie sich häufig neu – dadurch erhöht sich die Fluktuation im Unternehmen und höhere Personalkosten sind die Folge. Hier ließe sich durch eine bessere Bindung der Frauen und faire Karrierechancen entgegensteuern.
Berufswahl als ein Grund für weniger Frauen in Führungspositionen
Neben Familie und Geschlechterstereotypen hat auch die Wahl der Ausbildung Einfluss auf die Frauenquote an der Spitze von Unternehmen. Im Durchschnitt entscheiden sich Frauen mehr für soziale und erziehende Tätigkeiten und weniger für technische und naturwissenschaftliche Berufe. Meist wird für die Top-Positionen eine technische oder naturwissenschaftliche Ausbildung vorausgesetzt, die Frauen derzeit zwar schon viel mehr, aber doch noch seltener als Männer durchlaufen. Zur langfristigen Verbesserung der Aufstiegschancen sollten junge Frauen daher besser für MINT-Berufe und Studiengänge motiviert werden. Die IHK unterstützt unter anderem Maßnahmen wie das „Haus der kleinen Forscher“. Dabei werden Jungen und Mädchen bereits im Kindergarten spielerisch an technische und naturwissenschaftliche Fragen herangeführt.
Zum besseren Netzwerken motivieren
Und auch branchen- oder positionsspezifische Netzwerke verbessern durch fachlichen Austausch und die Pflege beruflicher Kontakte den Aufstieg von Frauen. Frauen sind in solchen berufsspezifischen Netzwerken seltener vertreten und sollten zu einem stärkeren Engagement motiviert werden. Bei der Vernetzung können ebenso spezielle Frauennetzwerke helfen.
Gehaltslücke zwischen Männern und Frauen
Nach wie vor verdienen Frauen im Durchschnitt weniger als Männer: So betrug der unbereinigte Gender Pay Gap in 2020 rund 18 %. Die bereinigte Entgeltlücke lag 2018 bei 6%.
Die Unterschiede erklären sich dadurch, dass Frauen durch ihre Berufswahl häufiger Tätigkeiten nachgehen, die geringer entlohnt werden, oder dass sie in Teilzeit arbeiten. Gleichzeitig setzen Frauen öfter länger familienbedingt aus und besetzen seltener Führungspositionen. Berufswahl, Erwerbsunterbrechungen, Teilzeitarbeit und die selteneren Aufstiege in Führungspositionen führen daher zu einem im Durchschnitt geringeren Verdienst als bei Männern.
Ziel muss eine Schließung der Gehaltslücke zwischen Männern und Frauen sein. In einer vergleichbaren Position und bei vergleichbarer Leistung müssen Frauen wie ihre männlichen Kollegen bezahlt werden.
Zur Erreichung dieses Ziels hilft es, wenn mehr Frauen technische und naturwissenschaftliche Berufe erlernen, seltener Unterbrechungen durch eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf die Karriere stören, und Frauen häufiger in die besser bezahlten Führungspositionen gelangen.
Studienergebnisse sprechen für mehr Frauen und gemischte Teams
Studien kommen immer wieder zu dem Ergebnis, dass Unternehmen mit einem höheren Anteil an Frauen in Fach- und Führungspositionen (Mixed Teams) erfolgreicher sind. In gemischten Teams kommen die Lebenswirklichkeiten von Frauen und Männern zusammen und die Kombination macht Unternehmen innovativer. Männer und Frauen unterscheiden sich hinsichtlich der Erfahrungen, Sozialisationen und Ansprüche. Außerdem bringen Frauen in Entwicklerteams die Erwartungshaltungen der potenziellen Kundinnen mit. Auch die Außenwirkung verändert sich: Mehr Frauen als Fach- und Führungskräfte steigern die Attraktivität eines Arbeitgebers. Unternehmen mit mehr Frauen in Führungspositionen gelten als moderner, Frauen verbessern das Employer Branding.
Insofern dürfte eine freiwillige Frauenquote im Grunde kein Thema mehr sein, denn kluge Unternehmer, Vorstände und Aufsichtsräte dürften sich aus eigenem Antrieb um einen größeren Frauenanteil bemühen. Der Wandel zahlt sich in jedem Fall für die Unternehmen aus, auch wenn ein ganzes Maßnahmenbündel dazu notwendig ist.
Wichtig ist auch, die Frauen zu ermutigen: Denn immer noch trauen manche Frauen sich Führungspositionen auch nicht zu. Forschungen zeigen, dass Männer sich bereits auf eine Stellenausschreibung bewerben, wenn sie nur 30 Prozent der geforderten Kenntnisse mitbringen. Frauen hingegen bewerben sich nur, wenn sie mindestens 80 Prozent der geforderten Eigenschaften erfüllen. Die beste Motivation für Frauen, sich um leitende Positionen zu bewerben, sei der Rat des direkten Vorgesetzten, sich um die Stelle zu bemühen. Ein Trick, um Frauen zur Bewerbung zu animieren, ist auch das Angebot von Chefs für eine probeweise Übernahme der neuen Stelle für sechs Monate. So erhöhte beispielsweise der Rolls Royce Konzern den Frauenanteil in der Unternehmensleitung. Keine der Frauen hat sich nach der Probezeit neu entschieden.
Zugleich sollten Frauen, die eine berufliche Karriere anstreben, mehr Selbstmarketing betreiben. Eine weitere Maßnahme wäre aber auch, bessere Anreize für Männer zu setzen, sich mehr um die Familie zu kümmern. Wenn Männer ihre berufliche Laufbahn genauso häufig für die Kindererziehung unterbrechen wie Frauen, gibt es keine strukturellen Unterschiede mehr zwischen Männer- und Frauenkarrieren.
Das Ziel: mehr Frauen für Fach- und Führungsaufgaben
Neben der Chancengerechtigkeit ist vor allem auch der Fachkräftemangel ein wichtiges Argument für eine bessere Integration von Frauen in den Arbeitsmarkt. Die Gesellschaft altert, der demografische Wandel ist in vollem Gange, es wird schwieriger, geeignete Fachkräfte zu finden. Eine bessere Integration der Frauen in die Arbeitswelt ist eins der zentralen Elemente, um diesem Problem entgegenzuwirken. In der Folge profitieren Unternehmen wie bereits gezeigt stets auch qualitativ, da sie den bestehenden Talentpool mit der verstärkten Rekrutierung von Frauen besser ausnutzen.
Umfragen zeigen, dass viele familienbedingt nicht oder nur in Teilzeit arbeitende Frauen an der Aufnahme oder Ausweitung einer Beschäftigung interessiert sind – wenn die Betreuung der Kinder oder Pflege der Angehörigen gewährleistet wäre und ein familiengerechter Arbeitsplatz zur Verfügung stünde.
Steigt die Zahl der beschäftigten Frauen jährlich um ein Prozent, könnten dem Arbeitsmarkt in Bayern rund 180.000 zusätzliche Fachkräfte zur Verfügung stehen. Das wären für Oberbayern allein 70.000 zusätzliche Beschäftigte.
Eine weitere Möglichkeit ist die Steigerung der durchschnittlichen Wochenarbeitszeit der Frauen. Rund 48% der Frauen in Bayern arbeiteten 2016 in Teilzeit mit einer durchschnittlichen Wochenarbeitszeit von 20,7 Stunden. Eine Erhöhung der durchschnittlichen Arbeitszeit auf 25 Stunden würde in Bayern in rund 5,2 Millionen zusätzliche wöchentliche Arbeitsstunden resultieren. Dieser Stundenumfang entspricht der wöchentlichen Arbeitszeit von 130.000 zusätzlichen Vollzeitbeschäftigten.
Der Weg: traditionelle Rollenbilder weiter aufbrechen
Zielt die Wirtschaft auf eine bessere Ausnutzung der Potenziale und Kompetenzen von Frauen ab, müssen die traditionellen Rollenbilder weiter aufgebrochen und die gegebenen Rahmenbedingungen weiter optimiert werden. Unternehmen müssen Familie und Beruf besser miteinander vereinbar machen und die Zahl der Frauen in Führungspositionen erhöhen.
Es handelt sich um eine strategische Aufgabe: Unternehmen selbst und die Politik sind gefragt, Gleichheit und Chancengerechtigkeit zu fördern. Dabei dürfen und müssen die Veränderungen nicht zu Lasten der Männer gehen, vielmehr hinterfragen diese ihre Lebenswirklichkeiten zunehmend selbst. Heute wählen immer mehr junge Männer die Elternzeit, wollen ihre Kinder aufwachsen sehen und wünschen sich eine bessere Work-Life-Balance. Ob eine Frau sich für die Erwerbstätigkeit entscheidet, eine Führungsposition anstrebt oder als Unternehmerin aktiv wird, darf nicht bereits an den gegebenen Rahmenbedingungen scheitern.
Betriebspraxis: Tipps für mehr Chancengerechtigkeit
Um die Chancengerechtigkeit im umfassenden Sinne voranzubringen und davon zu profitieren, eignen sich diese praktischen Tipps.
Tipp 1: Chancengerechtigkeit grundsätzlich voranbringen
Für die Umsetzung der Chancengleichheit im Unternehmen gehören Mitarbeitergespräche zu den wichtigsten Instrumenten der Personalplanung. Checklisten und Leitfäden können dabei für das Thema sensibilisieren. Übrigens: Die gezielte Ansprache von Frauen kann schon weit im Vorfeld des eigentlichen Rekrutierungsprozesses beginnen – bei Schülerinnen oder Studentinnen: Erprobte Maßnahmen sind: Girls‘ Days, Techniker Camps und MINT-Aktionstage, aber auch Schüler-Wettbewerbe, die Unterstützung von Abschlussarbeiten, Mentoringprogramme, Stipendien, Praktika sowie eine Zusammenarbeit mit Schulen und Hochschulen.
Dann startet der Rekrutierungsprozess. Hierzu folgende Tipps:
- Machen Sie sich zu Beginn eines Rekrutierungsprozesses die Geschlechterstereotype noch einmal bewusst. Frauen wird oft unterstellt, dass sie für Führungspositionen nicht geeignet sind. Wenn sie selbstbewusst auftreten, kann das als dominant wahrgenommen werden.
- Erstellen Sie ein klares Anforderungsprofil der fachlichen und persönlichen Kompetenzen.
- Damit sich beide Geschlechter gleichermaßen angesprochen fühlen, nutzen Sie bei Stellenausschreibungen bewusst immer sowohl die männliche als auch die weibliche Form. Verwenden Sie keine Abkürzungen wie Geschäftsführer/in.
- Lesen Sie die Bewerbungsunterlagen zunächst ohne Foto.
- Führen Sie das Vorstellungsgespräch zu zweit, lassen Sie männliche und weibliche Personalkräfte daran teilnehmen.
Mehr Informationen finden Sie in dem Booklet „Gendergerechte Personalauswahl und -beförderung“ der TU München.
Weitere sinnvolle Maßnahmen zur Stärkung der Chancengerechtigkeit können unter anderem
- der Aufbau von Vorbildern (Frauen in Führungspositionen) und die Bekanntmachung über interne und externe Kanäle
- das Angebot von Mentoringprogrammen für Männer und Frauen, die Führungsaufgaben anstreben
- die gezielte Förderung der Entwicklung von Fach- und Führungskräften beiderlei Geschlechts
- die bewusste Bildung gemischter Teams und die Förderung von Zusammenarbeit und Austausch
- das Angebot konkreter Hilfen für Mütter und explizit auch für Väter bei der Vereinbarung von Beruf und Familie
- die Schaffung von mehr Gestaltungsfreiraum durch flexiblere Arbeitszeiten mit ortsunabhängigem Arbeiten
- die Schaltung gendergerechter Anzeigen zur Rekrutierung neuer Mitarbeiter (siehe oben) und Mitarbeiterinnen
Tipp 2: Mehr Frauen in Führungspositionen bringen
Für die Erhöhung des Frauenanteils in Führungspositionen braucht es nicht nur eine gendersensible Rekrutierung. Nötig sind darüber hinaus aber auch ein Commitment von der obersten Führungsebene, eine klare Zielsetzung, Personalinstrumente, die geschlechtersensibel sind, und zugleich ein Personalcontrolling, das prüft, ob die Ziele eingehalten wurden. Hier eine erste Auswahl an Maßnahmen:
- Talentpool: Die gezielte Ansprache von Frauen kann schon weit im Vorfeld des eigentlichen Rekrutierungsprozesses beginnen – bei Schülerinnen oder Studentinnen. Siehe auch oben.
- Rekrutierung und Ansprache: In der spezifischen Rekrutierungsphase sind geschlechtersensible Rekrutierungsmaßnahmen wichtig. Dazu gehören zum Beispiel Formulierungen, die explizit beide Geschlechter ansprechen, oder gemischtgeschlechtliche Auswahl-Teams. Siehe auch oben.
- Kommunikation: Auf allen Kommunikationskanälen – von der Website bis zur Broschüre – sollten sich alle Geschlechter gleichermaßen angesprochen fühlen und als Role-Models oder ZitatgeberInnen repräsentiert sein. Weibliche Testimonials motivieren Bewerberinnen oft eher als männliche Vorbilder. Dies gilt insbesondere für Führungskräfte-Testimonials.
- Talentmanagement: Für Potenzialanalysen gibt es zahlreiche strukturierte Untersuchungs- und Erhebungsmethoden. Potenzialanalysen sind zudem ein gutes Instrument zur Mitarbeiterbindung.
- Mentoring: Ein weiteres erprobtes Modell ist Mentoring. Hier werden MentorInnen und Mentees zusammengespannt, die ranghöheren MentorInnen helfen den Mentees bei ihrer Positionierung als zukünftige Führungskraft. In einem Cross-Mentoring-Netzwerk stammen MentorIn und Mentee aus unterschiedlichen Unternehmen.
- Vereinbarkeit: Angebote zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie/Pflege ist eine wichtige begleitende Maßnahme. Hier gibt es bereits viele erprobte Wege: flexible Arbeitszeiten oder betriebliche Unterstützung der Kinderbetreuung, aber auch Modelle wie Führen in Teilzeit oder Shared Leadership.
- Networking: Auch berufliche Netzwerke sind ein wichtiger Punkt für den Aufstieg von Frauen in Führungspositionen. Zu unterscheiden sind reine Frauen- bzw. Männernetzwerke oder gemischtgeschlechtliche Netzwerke. Gerade gemischtgeschlechtliche Netzwerke ermöglichen es Frauen, ihre Sichtbarkeit zu erhöhen. Solche Netzwerke lassen sich auch unternehmensintern implementieren.
Tipp 3: Prüfen, ob die gesetzliche Frauenquote relevant ist
Lange hat sich die Wirtschaft gegen die Geschlechterquote gewehrt – nun gibt es sie doch, und es geht dabei bei weitem nicht nur um die 30-Prozent-Quote für die Aufsichtsräte von rund 100 börsennotierten und paritätisch mitbestimmungspflichtigen Unternehmen. Ebenfalls betroffen sind Betriebe, die entweder mitbestimmungspflichtig oder börsennotiert sind und mehr als 500 Beschäftigte haben. Auch diese Unternehmen sind aufgefordert, sich verbindliche Zielvorgaben für Aufsichtsräte, Vorstände und die beiden obersten Managementebenen zu setzen und ihre Fortschritte regelmäßig zu veröffentlichen. In München und Oberbayern gilt die weiche Frauenquote für rund 250 Firmen. Das Bundesfamilienministerium und das Bundesjustizministerium haben Schritte zusammengestellt, wie die gesetzlichen Vorgaben zu erreichen sind.
Schritt 1: Prüfung, ob Verpflichtung zur Festlegung von Zielgrößen besteht
Im ersten Schritt sollte das Unternehmen analysieren, ob es unter die gesetzlichen Regelungen fällt.
Schritt 2: Klarheit schaffen – Bestandsaufnahme machen
Wichtig ist zunächst, die aktuelle Situation des Unternehmens in den Blick zu nehmen sowie anhand qualitativer und quantitativer Analysen Transparenz hinsichtlich des Status quo zu schaffen.
Schritt 3: Klare Verantwortlichkeiten – Gemeinsames Anliegen
Das Gesetz gibt eindeutig vor, wer im Unternehmen für die Festlegung der Zielgrößen und Fristen verantwortlich ist – nämlich Aufsichtsrat und Vorstand. Doch welche Abteilungen und Ressorts sollten intern mit dem Erarbeiten einer Entscheidungsvorlage für die Festlegung, Kommunikation und Umsetzung der Zielvorgaben beauftragt werden? Die Empfehlung der Ministerien: Idealerweise sollten in die Zielfestlegung eingebunden werden: Aufsichtsratsbüros, Vorstandsbüros, Personalbereich (Personalentwicklung, Diversity, Personalcontrolling), Rechtsabteilung, Kommunikationsabteilung.
Schritt 4: Zielgrößen festlegen
Anders als bei der vordefinierten Geschlechterquote für die Aufsichtsräte börsennotierter und voll mitbestimmungspflichtiger Unternehmen gilt für mitbestimmungspflichtige oder börsennotierte Unternehmen keine festgeschriebene Mindestzielgröße. Großer Interpretationsspielraum besteht bei der Definition der beiden Führungsebenen unterhalb des Vorstands. Diese werden grundsätzlich nicht nach betriebswirtschaftlicher Lehre – das heißt Top-, Middle- und Low-Management – bestimmt, sondern orientieren sich an den im jeweiligen Unternehmen eingerichteten Hierarchieebenen unterhalb des Vorstands. Hierunter sind organisatorische Einheiten zu verstehen, die gleichberechtigt agieren und einer gemeinsamen Führung untergeordnet sind.
Schritt 5: Fristen festlegen
Die ersten Zielgrößen waren bis zum 30. September 2015 festzulegen. Zudem muss diese Beschlussfassung intern dokumentiert werden. Die erstmalige Frist zur Zielerreichung durfte den 30. Juni 2017 nicht überschreiten. Nun dürfen die Fristen jeweils nicht länger als fünf Jahre sein.
Schritt 6: Berichtspflichten
Die Berichtspflicht hinsichtlich der festgelegten Zielgrößen und Fristen für die Erreichung ist in § 289 a HGB verankert. Erstmals anzuwenden sind die Vorschriften zur Berichterstattung auf Jahresabschlüsse, die sich auf Geschäftsjahre mit einem Abschlussstichtag nach dem 30. September 2015 beziehen. Fortlaufend ist über die Zielgrößen und Fristen jährlich zu berichten, wobei der Status der Erreichung beziehungsweise gegebenenfalls die Gründe für die Nichterreichung mindestens zum Ende der Frist kommuniziert werden müssen.
Tipp 4: Auf das Entgelttransparenzgesetz reagieren
Das Gesetz zur Förderung von Transparenz von Entgeltstrukturen (Entgelttransparenzgesetz) ist am 6. Juli 2017 in Kraft getreten. Seit dem 6. Januar 2018 können ArbeitnehmerInnen den darin ermöglichten Auskunftsanspruch wahrnehmen. Das Gesetz enthält folgende Bausteine:
- Individueller Auskunftsanspruch: Arbeitgeber mit mehr als 200 Beschäftigten müssen ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zukünftig auf Anfrage individuell erläutern, nach welchen Kriterien sie wie bezahlt werden. Dabei wenden sich die Beschäftigten tarifgebundener und tarifanwendender Arbeitgeber für ihr Auskunftsverlangen an den Betriebsrat. Gibt es keinen Betriebsrat, können sich die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer direkt an den Arbeitgeber wenden. Die Anfrage muss innerhalb von drei Monaten vom Betriebsrat oder Arbeitgeber erfüllt werden.
- Betriebliche Verfahren zur Überprüfung und Herstellung von Entgeltgleichheit: Private Arbeitgeber mit mehr als 500 Beschäftigten werden aufgefordert, regelmäßig ihre Entgeltstrukturen auf die Einhaltung der Entgeltgleichheit zu überprüfen.
- Bericht zur Gleichstellung und Entgeltgleichheit: Arbeitgeber mit mehr als 500 Beschäftigten, die lageberichtspflichtig sind, müssen zudem künftig regelmäßig über den Stand der Gleichstellung und der Entgeltgleichheit berichten. Diese Berichte sind für alle einsehbar. Die Berichtspflicht besteht erstmals im Jahr 2018.
So können Unternehmen reagieren:
- Informieren Sie sich über das Gesetz. Im Internet gibt es zahlreiche seriöse Informationen. Siehe auch unten.
- Überprüfen Sie mit dem Quickcheck, ob Sie von dem Gesetz betroffen sind. Siehe auch unten.
- Machen Sie eine Bestandsaufnahme und Risikoanalyse der Situation in Ihrem Unternehmen.
- Stimmen Sie sich mit dem Betriebsrat ab.
- Schaffen Sie Strukturen in Ihrem Unternehmen, die Ihnen eine fristgerechte Beantwortung des Auskunftsverlangens ermöglichen.
- Sichten Sie Musterverfahren, die zu Ihrem Unternehmen passen, etwa der eg-check.
Links zum Entgelttransparenzgesetz
Zusammenfassung
Die IHK München und Oberbayern spricht sich für mehr Frauen in der Wirtschaft aus. Ziel muss sein, die Rahmenbedingungen in den Unternehmen und in den Städten und Gemeinden (Kitas, Schulen, Pflegeinfrastruktur) so zu verbessern, dass diese die Potenziale von Frauen besser ausschöpfen können und die Frauen chancengerechtere Arbeits- und Karrierestrukturen vorfinden. Familie und Beruf müssen miteinander vereinbar sein. Flexibilität und Aufbrechen der Geschlechterstereotype sind gefragt. Männer und Frauen müssen für vergleichbare Aufgaben die gleiche Entlohnung erhalten. Bestehende Entgeltunterschiede müssen abgebaut werden. Frauen sind heute genauso gut ausgebildet wie Männer. Ihre Anwesenheit in den Führungsetagen bringt Unternehmen voran.