BIHK Umweltdialog
In der Diskussion (v.l.) MdL Rosi Steinberger, MD Dr. Monika Kratzer, Christiane Allinger, Dr. Norbert Ammann, Birgit Gehr, Dr. Dieter Gilles
Politik und Wirtschaft wollen in Teamarbeit Bayern auf grünen Kurs bringen
Geglückte Premiere mit rund 100 Teilnehmern
"Fridays for Future" – der Slogan ist nun auch erstmals im Forum der Münchner IHK Akademie gefallen. Anlass war die Premiere eines neuen Veranstaltungsformats der bayerischen Wirtschaft. Bayerns IHKs (BIHK) hatten am 14. Mai zum ersten „BIHK-Umweltdialog Umwelt Wirtschaft Politik“ geladen. Ziel war, über „Herausforderungen in der bayerischen Umweltpolitik“ zu diskutieren.
Rund 100 Teilnehmer waren gekommen, vermutlich auch um Bayerns Umweltminister Thorsten Glauber (Freie Wähler) live zu erleben. Glauber steht im Ruf, die „coole Socke“ (Süddeutsche Zeitung) in Bayerns Staatsregierung zu sein. Glauber hat etwa junge Klimaschutz-Demonstranten zum Gespräch eingeladen. An diesem Abend kam ihm eine Plenarsitzung dazwischen. Seinen Part übernahm Ministerialdirigentin Dr. Monika Kratzer, in Glaubers Haus Spezialistin für Klimaschutz und Kreislaufwirtschaft.
Inhaltlich tat das der Veranstaltung keinen Abbruch. Das Thema Umweltschutz ist brisant wie nie. Pariser Klimaschutzabkommen, EU-Klimaschutzziele, das Volksbegehren Artenvielfalt, die Debatte über die Flächennutzung, die Forderungen nach einer CO2-Steuer und die Besteuerung von Kerosin, der Druck der Klimaschutzbewegung auf der Straße – all das führt zur Frage, wie Bayerns Politik und Wirtschaft darauf reagieren soll.
Bayern spürt den Druck der Straße
Moderatorin Christiane Allinger sagte, der Protest der Jugend mache Antworten dringlicher denn je. Die Diskussion in der IHK solle zu ersten Lösungen beitragen. „Deshalb sind Sie heute Abend hier“, stellte Allinger fest.
Erste Ergebnisse des Abends: Dem Kurs des US-Präsidenten Donald Trumps, der Klimaschutz konsequent ignoriert, wird in Bayern keiner folgen. Frau Dr. Kratzer und Dr. Tina Emslander, Leiterin der Abteilung Standort, Mobilität, Umwelt der Münchner IHK, bekannten sich ebenso zum Klima- und Umweltschutz wie alle Unternehmensvertreter. Einigkeit bestand auch in der Einsicht, dass Bayerns grüner Wandel Unternehmen nicht gefährden dürfe.
„Kooperation ist unser Ansatz“, sagte Emslander. Sie listete eine Reihe von „Zielkonflikten“ auf, für die man im Gespräch Lösungen suchen müsse. So stehe der Ausbau der Wasserkraft im Widerspruch zu Biotop-Schutz und Fischerei-Interessen.
Scharfe Grenzwerte für Rückstände in sogenannten Sekundärrohstoffen, könnten es Unternehmen erschweren, ein sinnvolles Verfahren zu entwickeln – aus recycelten Abfällen Wertstoffe gewinnen. Drohende Fahrverbote seien ein Risiko für Wirtschaftsverkehr und die Versorgung der Innenstädte. Klimaschutz bedeute auch höhere Kosten und zwinge Firmen dazu, ihre Anlagen zu modernisieren.
Genehmigungen dauern länger
Dr. Dieter Gilles, bei Wacker Chemie Leiter des Werks Burghausen, klagte, derzeit stünden auch die Sachbearbeiter in den Landratsämtern unter großem Druck. Aus Furcht vor dem Staatsanwalt sicherten sich die Vollzugsbeamten der Unteren Naturschutzbehörden vor jeder Entscheidung juristisch ab. Sein Unternehmen müsse auf Genehmigungen heute länger warten als die zugesagten 30 Tage.
Ministerialdirigentin Dr. Kratzer versicherte, die Staatsregierung achte umweltpolitisch sehr darauf, Unternehmen mit so wenig Bürokratie als möglich zu belasten. Man werde in der Landesplanung eine Richtgröße für den Flächenverbrauch einführen, um eine gesetzliche Deckelung zu verhindern.
Sie sagte, Bayerns Umweltminister Glauber arbeite an ehrgeizigen Klimaschutzzielen. Sein Gesetzesentwurf sehe vor, die Treibhausgasemissionen in Bayern bis 2050 auf unter zwei Tonnen je Einwohner und Jahr zu reduzieren. Man wolle das möglichst ohne Verbote und Quoten erreichen. Bayern habe und werde hunderte Millionen Euro in den ÖPNV-Ausbau, Radwege-Netze, Energieeffizienz und moderne Mobilitätskonzepte investieren.
Frau Dr. Emslander setzt auch hier auf Teamarbeit. Die bayerischen IHKs seien etwa in Energieeffizienz-Netzwerken aktiv und Gründungsmitglieder des Umweltpakts Bayern. Der Erfolg des Modells - Kooperation statt Konfrontation, Eigeninitiative der Unternehmen statt Regulierung – hat zum Start ähnlicher Initiativen in anderen Bundesländern geführt. Werksleiter Gilles ist von diesem Konzept nach wie vor überzeugt: „Das Prinzip der Freiwilligkeit hat sich bestens bewährt“, meinte Gilles.
Nicht alle auf dem Podium wollten dem so zustimmen. Rosi Steinberger, im Bayerischen Landtag Vorsitzende des Ausschusses für Umwelt- und Verbraucherschutz, erklärte, der Umweltpakt habe in seiner fünften Auflage deutlich an Attraktivität eingebüßt. Die Zahl der Mitglieder habe sich seit ihrem Höchstand von mehr als 4.000 nahezu halbiert.
Zweifel am Prinzip Freiwilligkeit
Steinberger sagte weiter, das Prinzip der Freiwilligkeit sei mit der Realität nicht länger zu vereinen. Sie forderte, den Umweltpakt für neue gesellschaftliche Gruppen zu öffnen. Der Erfolg des Pakts müsse an verbindlichen „Benchmarks“ gemessen werden. „Wir können nicht noch einmal 20 Jahre auf Fortschritte im Klima- und Artenschutz warten“, erklärte die Landespolitikerin.
Ähnlich argumentierte Birgit Gehr, Chefin der Bayerischen Logistik Umwelt & Entsorgungs Systeme GmbH. Gehr gab auf dem Podium zu, sie sei vom Umweltpakt enttäuscht. Das Siegel sei ein „nice to have“ für die Homepage und Image-Broschüre, bewirke aber nicht viel. „Wir müssen für Unternehmen echte Anreize schaffen“, sagte Gehr. Wer besonders viel Energie einspare, müsse eine Gold- oder Silbermedaille erhalten.
Für die Teilnehmer dieser Premiere hatte Gehr noch eine versöhnliche Botschaft. Umweltschutz und betriebswirtschaftliches Interesse vertragen sich ihren Worten zufolge noch nie so gut wie heute. Grünes, nachhaltiges Wirtschaften sei die Basis, um überhaupt noch neue Mitarbeiter zu bekommen. Tina Emslander erinnerte an die Exporterfolge bayerischer Umweltunternehmen. Und Monika Kratzer meinte, Bayerns Artenschutz werde mit Sicherheit auch der wichtigen Tourismus-Branche zugute kommen.