Nachhaltiges Unternehmen

Kaffee ohne Zucker, Milch und ‎Sklavenhaltung

montebera auf dem Afrikaforum Bayern 2019‎

Gründer und Firmenchef Markus Behr erklärt, weshalb sein Kaffee die Umwelt schont und Menschen hilft.

Wie kommt man auf die Idee, in Prien am Chiemsee ins Kaffeegeschäft einzusteigen?

Geplant hatte ich das nicht. Das hat sich so ergeben. Zuvor bin ich Manager in der Telekommunikationsbranche gewesen. Ich habe als Manager dazu beigetragen, die Firma binnen zwei Jahre viermal zu verkaufen. Irgendwann war mir diese Kapitalismusspirale dann einfach zu dumm.

Aber wieso dann Kaffee?

Neben der Sinnkrise ist mir der Kaffee auf den Magen geschlagen. Eine Zeitlang habe ich dann keinen Kaffee mehr getrunken – bis ich zu dem Punkt kam, an dem ich sagte: Ohne geht es auch nicht. Dann habe ich mich gefragt: Wie kommt es, dass der Kaffee so aggressiv ist und meine Gesundheit schädigt.

Zu welchem Ergebnis kamen Sie?

Es ist unsere Industrie, die den Kaffee kaputt gemacht hat.

Das scheint niemand zu stören. Wie hat Ihr Umfeld auf Ihre Idee reagiert, mit einer eigenen Rösterei anzufangen?

Das Umfeld fand das ziemlich super. Okay, das ist auch familiär bedingt. Schon meine Großmutter hatte in der Oberpfalz einen Laden für Kolonialwaren. Zum Sortiment gehörte damals Kaffee und gerösteter Kaffee. Ich habe eigentlich nur eine alte Familientradition wiederbelebt.

Wir Deutschen trinken knapp 170 Liter Kaffee pro Kopf und Jahr. Anders als etwa in Österreich und in Italien stellen sich hierzulande aber nur wenige die Frage, wie Kaffee hergestellt und geröstet wird. Wie erklären Sie das?

Koffein wirkt wie eine Droge, ist aber nicht als Droge eingestuft, weil man uns eingebläut hat, Koffein verursache keine Gesundheitsschäden. Aber die Wirkung ist die gleiche.

Sind Sie dann quasi als Dealer aktiv?

(lacht) Ich sorge zumindest für guten Stoff. Der Punkt ist: Unser Gehirn spielt uns was vor. Selbst wenn ich schlechten Kaffee trinke, schreit unser Gehirn „will ich haben“. Wäre im Industriekaffee kein Koffein, würde das Gehirn melden: „Trink‘ das nicht. Schmeckt übel. Das Zeug ist aggressiv.“

Können Sie uns Koffein-Junkies sagen, warum wir Ihren Kaffee trinken sollten?

Dafür gibt es viele Gründe. Industriekaffee stammt von Großplantagen, für die Wald gerodet wird. Das sind Monokulturen, das ist für die Umwelt das Schlimmste überhaupt. Die Kaffeepflanzen stehen in der prallen Sonne, obwohl das eine Schattenpflanze ist. In den Anbauländern sprechen sie daher von den Mutterbäumen, die zwischen den Kaffeeplanzen stehen müssen, damit sie beschattet werden. Auf Großplantagen geht das nicht – da soll maschinell geerntet werden.

Werden da auch Pestizide eingesetzt?

Natürlich, das kommt dazu. Verwendet werden 35 bis 40 Pestizide. Das Ganze wird so hin getrimmt, dass keine EU-Grenzwerte verletzt werden. Bei Bedarf tauscht man einige Pestizide aus. Das Resultat ist ein Giftcocktail, für den es keine Grenzwerte gibt. Das Gemeine ist: Es wird nach der Ernte weiter gespritzt.

Was soll das bringen?

Das ist eine Folge der Massenproduktion. Die Kaffeekirschen werden auf dem Hochplateau ungeschützt in die Ecke geschmissen. Die Sonne soll das Fruchtfleisch abtrocknen. Aber wenn sie eine Frucht so behandeln, vergammelt sie. Damit das nicht passiert, werden die Früchte gewendet und täglich mit Pestiziden nachbehandelt. Beim Transport im Hochseecontainer wird die Luft rausgezogen - und wieder Pestizide reingeblasen.

Und das ist gängige Praxis für die Bohnen unserer Luxusmarken?

Leider ja. Wer es nicht glaubt, sollte sich die NDR-Reportage „Bittere Ernte“ anschauen. Gibt es auf YouTube. Das Fernsehteam hat die Plantagen in Südamerika besucht. Die mussten lange recherchieren, um herauszufinden, wo unsere Konzerne ihren Kaffee her haben. Das ist alles andere als transparent.

Warum wird da so ein Geheimnis daraus gemacht?

Weil das, was auf den Plantagen abläuft, ein Skandal ist. Das würde das Image beschädigen. Vor allem eine Erkenntnis ist bitter: Die Lebenserwartung mancher Arbeiter auf den Plantagen liegt bei nur 40 Jahren. Viele erkranken schon mit 30 an Alzheimer und Parkinson. Die ganze Familie muss dann für die Medikamente schuften. Die Konzerne verdienen doppelt. Erst an den Pestiziden, dann an der Arznei. Das macht die moderne Slavenhaltung perfekt.

Aber die Top-Marken versprechen uns Nachhaltigkeit in der Lieferkette.

Genau das ist das Problem. Deshalb lief der NDR-Beitrag auch nicht bundesweit und nicht zur Prime-Zeit, sondern spätabends und nur in Norddeutschland. Sie finden im Internet auch kaum Bilder über diese Erntemaschinen. Da muss man ewig suchen. Der NDR hat erst über den für die Lebensmittelkontrolle zuständigen Professor erfahren, wo die Plantagen tatsächlich liegen.

Der Bürger wird Ihrer Ansicht nach also bewusst nicht informiert?

Genauso ist das. Die Weltkonzerne nutzen ihre Macht, um das zu verhindern. Was dazu kommt, ist ein Markt ohne echten Wettbewerb. Der Industriekaffee wird an der Börse gehandelt. Es gibt aber nur ganz wenige Einkäufer, die für den Preis eine Rolle spielen. Das ist ein oligarchischer Markt.

Welche Folgen hat das?

Der Preis hat mit dem Produzenten nichts mehr zu tun. Der weltgrößte Einkäufer röstet nicht selbst. Die verteilen den Kaffee nur an andere Firmen weiter. Das ist ideal für das Spekulationsgeschäft.

Ihre Botschaft ist klar. Die Großen beherrschen den Markt. Wieso sind Sie dann mit einer kleinen Rösterei überhaupt an den Start gegangen?

Ich habe mir überlegt: Mit Kaffee, der mir schmeckt und mir gut tut, kann ich andere überzeugen.

Dazu kam dann der soziale Aspekt.

Richtig. Wir unterstützen soziale Projekte, weil es nicht anders geht. Der Kaffee stammt aus Armutsregionen. Die Bauern dort sind gezwungen, ihren Kaffee in die Großstadt zur Börsenauktion zu bringen. Gegen die Großplantagen haben sie keine Chance. Sie bekommen einen Preis, von dem sie nicht leben können. Dann bleiben nur drei Möglichkeiten: Regenwald abholzen und zusätzlich Mais anbauen, Wirtschaftsflüchtling werden oder selbst auf Großplantagen arbeiten.

Was machen Sie anders?

Wir versuchen, die ganze Dorfstruktur zu unterstützen, damit die Leute nicht abwandern. Nur so können wir den Kaffee hochwertig aufbereiten: mit Waschung statt dem Trocknen in der Sonne. Bei uns vergammelt nichts, wir arbeiten möglichst ohne Pestizide. Das bedeutet aber viel höheren Aufwand.

Wie kam es von der Idee zur Firmengründung?

Hobbymäßig lässt sich Kaffeerösterei nicht machen. Es gibt so viele Regularien und eine Röststeuer, die stammt noch aus der Kaiserzeit. Bevor ich mich für die Gründung entschieden habe, habe ich bei einer Kaffeerösterin einer Hansestadt mitgearbeitet, um mir das nötige Wissen anzueignen. Dieser Handwerksberuf ist leider ausgestorben. Dabei lässt sich nur mit der richtigen Röstung das Maximale aus der Kaffeebohne herausholen.

Wie haben Sie Ihre Gründung finanziert?

Mit Eigenkapital und einem KfW-Kredit. Das weit größere Problem waren die Vorschriften. Wenn ich die alle buchstabengetreu erfüllen wollte, hätte ich die Rösterei noch längst nicht eröffnet. Wir haben gut zehn Monate lang auf die Genehmigung gewartet.

Können Interessenten bei Ihnen in Prien Ihren Kaffee testen?

Ja, wir haben alles an einem Ort: Rösterei, Lager, Verkauf und Ausschank. Allerdings ist der Ausschank nur von Donnerstag bis Samstag möglich. An den anderen Tagen wird nur produziert.

Bei uns Deutschen hört beim Preis der Spaß auf. Was kostet uns Ihr grün-sozialer Kaffee?

Unser Kaffee kostet 5 Cent pro Tasse mehr als die Industrie-Produkte.

Warum mehr bezahlen? Der Industrie-Kaffee schmeckt vielen gut.

Es ist eine simple Rechnung. Nehmen Sie Tee, der wesentlich einfacher anzubauen ist und keine Röstung braucht. Beim Discounter kostet ein Kilo einfacher Pfefferminz-Tee hochgerechnet 60 bis 80 Euro. Beim Kaffee verspricht uns die Werbung ein Kilo Hochgenuss für 7,98 Euro. Jeder sollte verstehen, dass da etwas nicht stimmen kann. Sie müssen von den 7,98 Euro die Mehrwertsteuer abziehen, allein die Röststeuer macht gut 2 Euro aus. In die Gesamtrechnung gehört auch das, was die Groß- und Einzelhändler verdienen wollen.

Das, was ich hier in München als Edel-Röstung einkaufe, bezeichnen Sie als Industrie-Plörre.

Exakt. Alles, was unter 20 Euro pro Kilo kostet, kann nur ein totes Produkt sein. Naturnaher Kaffee kann nicht so billig sein.

Wie läuft Ihr Geschäft?

Wir sind vor zwei Jahren gestartet. Das Geschäft mit privaten Verbrauchern hat sich in Prien wunderbar entwickelt. Sobald jemand unseren Kaffee trinkt, können wir den gut überzeugen. Dann ist der höhere Preis auch kein Problem.

Wie steht es mit den Firmenkunden?

Wir haben versucht, mit der Hotellerie und der Gastronomie ins Geschäft zu kommen. Wir haben aber leider auch mit großen Hotels die Erfahrung gemacht, dass die uns über den Tisch ziehen. Den Urlaubern wird versprochen: Wir haben Spitzenkaffee – und für das Frühstück wird mit der zweiten Maschine Industrie-Kaffee gekocht.

Kontrollieren Sie das?

Das können wir nicht, weil wir rechtlich keine Handhabe haben. Für uns ist das schwierig. Wir können schlecht Leuten Hotels empfehlen, die ihre Gäste täuschen. Wir versuchen derzeit, eher mit Büro-Firmen ins Geschäft zu kommen.

Wäre ich Firmen-Chef, wie komme ich dann an Sie ran?

Wir kommen gerne in der Mittagspause vorbei – und dann lassen wir alle probieren. Ihre Mitarbeiter werden sofort feststellen, dass sie weder Zucker noch Milch brauchen, dass unser Kaffee wunderbar bekömmlich ist.

Wie überzeugen Sie Chefs, die Teetrinker sind?

Wer Ja sagt, hat den besten Kaffee in seiner Firma und trägt dazu bei, dass Kaffee-Bauern von ihrer Arbeit leben können. Wir ergänzen das mit einer ganz neuen Idee: Für jedes Kilo Kaffee, das wir verkaufen, pflanzen wir einen Baum.

Hat denn Kaffee so eine schlechte CO2-Bilanz?

Ja, schon weil er über große Strecken transportiert und geröstet werden muss. Ein Kilo Industriekaffee verursacht etwa so viele CO2-Emissionen wie eine Autofahrt über 160 Kilometer. Bei unserem naturnahen Kaffee senken wir das auf 50 Kilometer. Wenn wir zusätzlich einen Baum pflanzen, kommen wir auf eine CO2-Einsparung von bis zu 25 Kilometern. Dafür gibt es von uns für das Unternehmen, welches unseren Kaffee mit Klimaschutz trinkt, eine zusätzliche Auszeichnung plus Umweltsiegel.