Klimaschutz - Dinge tun, die gut sind
Klima-Aktivistin Camilla Kranzusch will für ihr Projekt „Go for Climate“ 6.500 Kilometer zurücklegen. Auf ihrem Weg machte sie in Unterhaching beim Traditionsunternehmen Develey Station. Develey-Geschäftsführer Michael Durach gehört zu den Unternehmern, die sich nach Ansicht Kranzuschs glaubhaft für Klimaschutz engagieren.
Die Fachwelt sieht das genauso: Durach ist Gewinner des 12. Deutschen Nachhaltigkeitspreis in der Kategorie „Mittelgroße Unternehmen“. Hier berichtet er über sein Engagement für den Klimaschutz
Die Philosophie, die ich hatte, war immer: Dinge tun, die gut sind, von denen ich überzeugt bin. Wie gut diese Dinge im Vergleich sind mit dem, was andere tun – diese Bewertung überlasse ich Dritten.
Viele in der Wirtschaft sehen im Klimaschutz vor allem eines: mehr Belastung und höhere Kosten. Warum tun Sie sich den Aufwand an?
Wir Familienunternehmer ticken anders. Ich führe Develey jetzt in vierter Generation. Da denkt man langfristig. Ich weiß, dass ich Verantwortung für die nächsten Generationen trage. Außerdem ist es in unserer Kultur verankert. Wir kommen von der Landwirtschaft und haben deshalb schon immer nachhaltig gedacht. In einem Zeitungsartikel von 1977 spricht man schon von dem „umweltfreundlichen Unternehmen Develey“. Nachhaltig waren wir schon immer.
Was Sie heute für den Klimaschutz tun, geht aber weit über das hinaus.
Meine Kinder haben mich dazu inspiriert, mehr zu tun. Meine Kinder haben schon 2008 mit Felix Finkbeiner angefangen, im Rahmen von Plant-for-the-Planet Akademien zu gründen. Daraufhin habe ich mich in das Thema eingelesen. Ich habe damals erkannt, wie wichtig es ist, Kindern Klimaschutz näher zu bringen.
Dabei haben Sie es nicht belassen. Sie haben Ihr Unternehmen komplett auf Nachhaltigkeit getrimmt.
Ja, das stimmt. Ich wollte auch in meinem Unternehmen etwas tun. Wir haben damals unsere Mitarbeiter gefragt, was wir machen könnten. Man steckt im Alltag ja häufig so fest in Routinen drin, dass man den Blick für das Neue verliert. Auch bei uns im Betrieb konnten viele zu dieser Zeit nichts mit dem Thema anfangen. Jeder hat etwas anderes unter dem Wort Nachhaltigkeit verstanden. Daraufhin haben wir uns überlegt, was unsere Ziele sind. Um es plastisch und verständlich zu machen, haben wir gesagt: Unser CO2-Ausstoß soll bei null sein, wir wollen kein Palmöl mehr verwenden und keinen Deponiemüll mehr produzieren.
Wie haben Sie das umgesetzt?
Man muss aus der Nachhaltigkeitsphilosophie ein Nachhaltigkeitsmanagement entwickeln. Sonst bekommt man das nicht hin. Man muss es schaffen, die Mitarbeiter für das Projekt zu gewinnen und jedem einzelnen die Möglichkeit geben, sein eigenes Ziel zu verfolgen. Die Idee war also, das Ganze auf so viele Personen wie möglich zu verteilen. Wir haben jeden Mitarbeiter zum Nachhaltigkeitsbotschafter ausgebildet, um daraus eine Kultur zu entwickeln. Das ist uns ganz gut gelungen, wie man heute sieht.
Gibt es außer dem Klimaschutz für Sie noch andere nachhaltige Themen, für die Sie sich engagieren?
Wir haben den Begriff Nachhaltigkeit in die drei Säulen eingeteilt. Zum einen Natur, da wir Rohstoffe verwenden und einen dementsprechenden ökologischen Fußabdruck haben. Dann natürlich das Thema Mensch. Da spielt die Verantwortung gegenüber unseren Mitarbeitern eine Rolle und auch die Verantwortung gegenüber der Gesellschaft. Die dritte Säule ist die die Nationalität, da wir noch nie ein globales Unternehmen werden wollten. Wir glauben an Regionalität und deshalb müssen wir auch regional denken und handeln. Diese drei Bereiche versuchen wir miteinander zu verbinden.
Sie haben sich selbst ehrgeizige Ziele gesetzt. Haben Sie die auch erreicht?
Seit 2016 verwenden wir kein Palmöl mehr, seit 2013 sind wir beim Deponiemüll bei null. Wir haben an allen Stellschrauben gedreht. Wir sind an die Geothermie angeschlossen, haben die Produktion umgebaut, die Rezepturen verändert, wieder mehr regionale Rohstoffe verwendet. Wir waren der erste deutsche Industriebetrieb, der CO2 als Kühlmittel einsetzt. Beim Senf sind wir für den kompletten Kreislauf – Rohstoffe, Herstellung, Konsum – von 2020 an klimaneutral. Wir haben die Prozesse so weit ausgereizt, dass wir technisch an die Grenze kommen. Ich werde zusätzlich für Plant-for-the-Planet 500.000 Bäume in Mexiko pflanzen lassen – auch um den CO2-Ausstoß zu kompensieren, den wir derzeit nicht verhindern können.
Klingt beeindruckend. Engagieren Sie sich auch außerhalb Ihres Unternehmens?
Wir müssen uns als kleines Unternehmen beschränken. Deshalb arbeiten wir ausschließlich mit Kindern. Wir unterstützen Plant-for-the-Planet, weil das Projekt Kinder so gut anspricht. Sie sind von der Idee begeistert. Hier in der Umgebung versuchen wir, die Kinder zum Sport zu bringen. Gerade als Lebensmittelhersteller liegt uns das am Herzen. Es bringt nichts Kindern ungesundes Essen zu verbieten. Man muss den Ausgleich zwischen Essen und Sport schaffen. Aus diesem Grund sponsern wir einen Bus, der Kinder in den ländlichen Gebieten zum Training bringt, wir unterstützen außerdem die Ballakademie Unterhaching und auch die Kinderhilfe von McDonalds.
Wie kamen Sie auf die Idee, Camilla Kranzusch mit ihrem Projekt „Go for Climate“ zu unterstützen?
Ich finde es einfach toll, dass sie so ein positiver Mensch ist. Sie zeigt der Gesellschaft Lösungen für die Klimakrise. Viele reden nur, aber wenn man hinter die Kulissen schaut, wird es relativ dünn. Camilla geht von ihrem Wohnort aus nach Marokko. Da steckt wirklich was dahinter. Das Schlimme ist, wir reden immer über die „Abers“ statt darüber zu reden, dass Camilla schon über 700 Kilometer gelaufen ist. Das ist deutlich mehr, als wir alle machen. Das ist einfach super! Sie zeigt uns ein Beispiel, indem sie sagt: „ Ich kann laufen, also laufe ich“. Ich finde das toll!
Apropos laufen: Ihre Mitarbeiter sollen jeden Freitag die Treppe nehmen, statt Aufzug zu fahren, um den CO2 Ausstoß zu minimieren. Funktioniert das?
Ja! Wir haben da zwei Dinge gemacht. Zum einen haben wir den Aufzug langsamer gestellt, wenn man also in den ersten oder zweiten Stock will, dann geht Laufen deutlich schneller (lacht). Zum anderen haben wir ein Schild aufgehängt, das die Leute darauf hinweist, am Freitag nicht den Aufzug, sondern die Treppen zu nehmen. Das sind einfach Kleinigkeiten, die zum Denken anregen sollen. Wir verbieten nichts. Aber wenn am Freitag jemand den Fahrstuhl nimmt, und jemand sieht ihn, dann ist das für den im Aufzug schon peinlich (lacht). Das sind alles so kleine Mosaiksteine. Wir trinken nur Leitungswasser. Es gibt Schilder, die daran erinnern, das Licht auszumachen. Ohne die Schilder wird es doch oft vergessen. Nicht mal im Bösen!
Empfinden Ihre Mitarbeiter das nicht als Schikane?
Nein, überhaupt nicht. Die Idee der Nachhaltigkeit wird von ihnen voll mitgetragen. Ich bin froh, dass das von den Mitarbeitern bis hin zu den Bewerbern so positiv aufgenommen wird. Gerade die jungen Leute finden das super!
Haben Sie auch Geschäftsreisen reduziert?
Wir versuchen zumindest, das einzuschränken. Wir machen mehr Videokonferenzen über Skype. Das geht natürlich nicht immer. Ein Teil des Geschäfts läuft über den menschlichen Kontakt. Manchmal muss man Auto fahren und sich treffen. Aber selbst da kann man versuchen, das ökologischer zu gestalten.
Was halten Ihre Geschäftspartner von Ihrem Engagement?
Das ist unterschiedlich. Es gibt die, die dieselbe Einstellung haben. Das sind meistens Familienunternehmen. Dann gibt es Firmen, die sich weigern, beim Klimaschutz mitzumachen, weil ihnen das zu viel Geld kostet. Ich kenne auch viele Unternehmen, die fragen sich: Nachhaltigkeit? Was bringt mir das? Die tun nur etwas, wenn sie jeden Schritt vermarkten können, wenn es werbewirksam ist.
Ärgern Sie sich über das?
Nein. Natürlich könnten wir ewig über Moral und Scheinmoral diskutieren, aber das führt zu nichts. Wir brauchen Ergebnisse. Jede Tonne weniger CO2 hilft. Ob aus Marketinggründen oder nicht: Jeder, der etwas macht, tut damit etwas Gutes.
Wie halten Sie es bei Develey? Vermarkten Sie Ihren nachhaltigen Ansatz?
Nein. Meine größte Angst war schon immer, dass man uns vorwirft, Greenwashing zu betreiben. Deshalb ist die Nachhaltigkeit bei uns komplett losgelöst von der Marketingabteilung. Die Philosophie, die ich hatte, war immer: Dinge tun, die gut sind, von denen ich überzeugt bin. Wie gut diese Dinge im Vergleich sind mit dem, was andere tun – diese Bewertung überlasse ich Dritten.
Anscheinend sind diese Dinge gut. Sie haben viele Preise und Auszeichnungen gewonnen.
Selbstlob ist immer peinlich. Wenn ich einen Preis und eine Veröffentlichung bekomme, freut mich das natürlich. Das ist dann unsere Form des Marketings. Wir sind sehr stolz, jetzt unter den Finalisten für den deutschen Nachhaltigkeitspreis zu sein.
So dauert es dann aber länger, bis es Öffentlichkeit davon erfährt, oder?
Ja, das stimmt schon, aber es ist ehrliches Marketing. Das kommt auch ganz anders an. Wir wollen wirkliche Erfolge vorweisen. Von Januar 2020 an wird auf jedem Senfglas „klimaneutral“ stehen. Wenn uns jemand danach fragt, können wir genau erklären, was dahinter steckt. Andere erfinden tolle Slogans für heiße Luft.
So viel Konsequenz geht aber nur, wenn der Chef das klar als Ziel vorgibt.
Ja, das stimmt. Neulich kam jemand zu mir und hat mich gefragt, was er tun könne. Sein Chef wolle nichts von Nachhaltigkeit hören. Da hab ich ihm gesagt: „Dann hat es keinen Sinn. Wechsle das Unternehmen.“ Das ist das Problem: Wenn vom Management kein Signal ausgeht, dann funktioniert das auch nicht bei der Einzelperson. Es geht um das Vorleben. Nur so kann man die Leute mitreißen. Wenn niemand was tut, dann fängt der Einzelne nicht an. Deswegen hatten wir hier heute auch mehr als 20 meiner Mitarbeiter, die ein Stück weit mit der Camilla im Regen gegangen sind. Die machen das nur, weil sie sehen, dass auch ich etwas tue.
Gruppendynamik hilft. Das steht in jedem Management-Lehrbuch.
So ist es. Wir haben an jedem unserer 18 Standorte einen Nachhaltigkeitsmanager. Unter denen gibt es eine richtige Konkurrenz, wer die beste Idee hat. Ich sage immer: Es muss der einen Preis bekommen, der die beste Idee hat – aber auch der, der sie am schnellsten klaut (lacht). So kriegen wir das langsam hin. Klar, das kostet alles Geld. Ich habe insgesamt etwa zehn Millionen Euro in die Nachhaltigkeit investiert.
Verhalten Sie sich als Privatmensch auch vorbildlich – oder sündigen Sie auch?
Ich darf nicht: Meine Kinder ermahnen mich ständig (lacht). Ich habe mir jetzt als Auto einen Hybrid gekauft und ich überlege mir immer zweimal, ob ich den fahren muss, oder ob es nicht doch mit dem Fahrrad geht. Ich hab schon als Kind angefangen, Bäume zu pflanzen und tue es immer noch. Mich hält aber nichts davon ab, in den Urlaub zu fliegen, weil ich das kompensieren kann. Man muss sich nicht quälen, das Leben soll trotzdem Spaß machen.
Nerven Sie die Politiker-Phrasen über Klimaschutz und Nachhaltigkeit?
Ich erwarte da nicht mehr. Die Politiker sind halt ständig auf der Suche nach Mehrheiten. Deswegen wird alles allgemein. Man müsste viel mehr Mut haben, konkrete Aussagen zu machen und klare Ziele zu formulieren – auch auf die Gefahr hin, dass man nicht allen gefällt.
Bundes- und Staatsregierung versprechen Mittelständlern Unterstützung bei jeder Gelegenheit. Kommt die Hilfe bei Ihnen an?
Wir kleine Unternehmen bekommen keine Unterstützung. Wir werden zwar groß gelobt als Stütze der Wirtschaft, aber wir haben davon nichts. Ich habe immer wieder mal geschaut, ob es für meine Maßnahmen Förderung gibt. Aber da geht gar nichts. Das ist schade. Wir sind die, die alles finanzieren, aber der Vorteil liegt klar bei den Konzernen. Vielleicht denkt die Politik irgendwann mal um, aber ich habe da wenig Hoffnung.