Klima

Ich will die Hoffnung raustragen‎

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Klima-Aktivistin Camilla Kranzusch wirbt für Lösungen gegen den Klimawandel. Sie will von Berlin bis Marokko 6.500 Kilometer zu Fuß, mit dem Fahrrad und Zug zurücklegen. Im Interview erklärt sie, wie sie mit ihrer Aktion „Go for Climate“ auch Unternehmer für sich gewinnen will.

Was die Fridays for Future und Greta machen, ist wichtig. Aber ich will Bewusstsein schaffen für Lösungen gegen den Klimawandel. Die gibt es. Ich glaube, dass es nichts bringt, den Menschen nur Angst vor der Klima-Katastrophe machen. Angst lähmt. Ich will die Hoffnung raustragen.

Du bist jetzt gut einen Monat unterwegs. Hat Deine Aktion schon Wirkung gehabt?

Absolut. Ich habe jetzt 700 Kilomter hinter mir - und schon so viele gute Gespräche mit Schülern, Unternehmern und engagierten Bürgern erlebt. Das ist wahnsinnig motivierend. Das zeigt mir: Meine Botschaft kommt an.

Wie funktioniert das logistisch? Wo übernachtest Du überhaupt?

Alles, was ich brauche, trage ich bei mir. In meinem Rucksack, der ist ungefähr 14 Kilo schwer. Ich habe gelernt, mich auf das Nötige zu reduzieren. Ich übernachte in Unternehmen, bei Unterstützern, zuletzt in einem Bio-Bauernhof. Ich nehme, was ich kriegen kann.

Du hast für Deine Aktion Job und Wohnung gekündigt. Andere würden sagen: Du hast für den Klimaschutz Dein Leben zerstört. Woher nimmst Du den Mut, das so durchzuziehen?

Für mich war das Thema Klimawandel schon immer präsent. Erst habe ich mir dazu Dokumenarfilme angeschaut, dann habe ich alle Informationen aufgesaugt, die ich kriegen konnte. Anfang dieses Jahres kam der Moment, in dem mir klar wurde: Ich muss jetzt handeln. Uns läuft die Zeit davon. Ich sehe keinen Sinn, darin, einen Job zu machen und ein Alltagsleben zu führen, solange wir das Weltklima zerstören.

Es gibt Politiker und Journalisten, die sagen: Das ist Klima-Hysterie.

Die sollten sich einfach die Zahlen ansehen. Weltweit sind 1.400 neue Kohlekraftwerke geplant. Wenn die in Betrieb gehen, heißt das Game over. Deutschland hat einen jährlichen Pro-Kopf Ausstoß von CO2 von 12 Tonnen. In China hat sich der Wert in kurzer Zeit von 4 auf 8 Tonnen verdoppelt. In Afrika liegen wir bei 1 Tonne. Wenn die den Weg einschlagen, den wir vorgegangen sind, ist die Welt nicht zu retten. Um das zu verstehen, muss ich kein Klimaforscher sein.

Es gibt Millionen von Bürgern, die das nicht wissen, leugnen oder denen das egal ist.

Deshalb müssen wir handeln. Wir können nicht noch 20 Jahre lang diskutieren. Wir haben nur diese eine Chance. Ich habe deshalb mit Plant-for-the-Planet Kontakt aufgenommen, weil die Idee so genial und einfach ist: Bäume für das Klima pflanzen. Jeder versteht das, jeder kann mitmachen, jeder kann damit seinen Beitrag leisten. Das hat mich begeistert.

Das Klima wandelt sich schon jetzt dramatisch – glaubst Du, dass Bäume pflanzen noch etwas bringt?

Mit Aufforsten gewinnen wir Zeit, was jetzt unfassbar wichtig ist. Es gibt Studien der ETH Zürich, wonach wir auf der Erde Platz haben für 1.000 Milliarden neuer Bäume – und das ohne Flächenverlust für die Lebensmittel, die wir brauchen. Nutzen wir diese Chance, gewinnen wir 15 Jahre Zeit, um unter dem 2-Grad-Ziel zu bleiben.

Aber Bäume wachsen doch viel zu langsam.

Bei uns ja. Deshalb müssen wir sie in Südamerika und Afrika pflanzen, wo sie fünfmal schneller wachsen. Der alte Slogan global denken, lokal handeln, ist falsch. Wir müssen auch global handeln. Dafür werbe ich ja mit Go for Climate.

Aber nur Bäume pflanzen wird auch nicht reichen.

Das ist nur ein Schritt. Wenn wir aufforsten, können wir Holz nutzen. Wir können Mikroplastik mit Holzfasern ersetzen. Es ist technisch möglich, 300 Meter hohe Gebäude nur aus Holz zu bauen. Damit sparen wir Stahlbeton, der für 11 Prozent der globalen CO2-Emissionen sorgt. Wir müssen auch die Verbrennungsmotoren nicht wegwerfen. Heute können wir für die klimafreundliche, synthetische Kraftstoffe entwickeln.

Warum hast Du Marokko als Ziel ausgewählt?

Ich marschiere dort zum Kraftwerk Ouarzazate. Das ist ein Sonnenwärmekraftwerk, das zeigt, was technisch möglich ist. Zuvor hatte Marokko 97 Prozent seines Energiebedarfs importieren müssen. Heute liefert dort ein einziges Kraftwerk 42 Prozent des benötigten Stroms. Das ist ein unfassbar großer Schritt.

Glaubst Du, dass das ein Modell für die Lösung unserer globalen Probleme wäre?

Ja, sicher. Die Grundidee von Desertec ist unverändert richtig: Dort in Photovoltaik investieren, wo der Nutzen am größten ist. Wenn wir eine solche Anlage wie in Marokko irgendwo in der Wüste auf einer Fläche von 300 mal 300 Kilometern installieren würden, könnten wir die ganze Welt mit Strom versorgen.

Warum hast Du Develey als Etappenziel ausgewählt?

Weil sich Develey-Chef Michael Durach für Plant-for-the-Planet und absolut glaubhaft für den Klimaschutz engagiert. Develey ist ein echter Pionier. Ich will diese nachhaltigen Unternehmen in der Öffentlichkeit bekannter machen, sie vernetzen, damit wir mehr Schlagkraft bekommen.

Nach welchen Kriterien hast Du die Unternehmen für Deine Reiseroute ausgewählt?

Ich bin da zum Glück nicht alleine. Wir sind mittlerweile schon ein kleines Team. Die Macher von Plant-for-the-Planet finanzieren mein Projekt. Gemeinsam haben wir nach Unternehmen gesucht, die klimaneutral oder auf dem Weg dorthin sind. Ich war auch bei Ritter Sport, die gehören dazu. Was wir auf keinen Fall wollten, ist Greenwashing fördern. Also einen Konzern besuchen, der nichts tut, aber schöne Broschüren druckt.

Wie haben die Unternehmer auf Deinen Besuch reagiert?

Absolut positiv. Die wollen etwas tun, sie wollen Veränderung. Deshalb unterstützen sie mein Projekt. Die Nachhaltigkeit rechnet sich auch. Die Unternehmen arbeiten viel effizienter, sie sparen Energie, Rohstoffe – und sie bekommen die Hochtalentierten, die Motivierten. Develey-Chef Durach hat das schön erklärt. Er kann sich die besten Azubis aussuchen, weil die einen Betrieb suchen, mit dem sie sich identifizieren können.

Wie versuchst Du, auf die Öffentlichkeit zuzugehen?

Wir organisieren zum Beispiel Workshops in Schulen oder auf Demos, nehmen an Diskussionen teil. Meine Tour lässt sich online verfolgen. Ich erlebe fast nur Zuspruch. Die Leute bedanken sich sogar dafür, dass wir ihnen Hoffnung schenken.

Gab es keine Hass-Kommentare in Social Media?

Die gibt es, aber sie kümmern mich nicht. Manche schreiben, ich soll wieder in die Schule gehen und etwas lernen. Sorry, aber ich bin 24 und habe einen Uni-Abschluss (lacht).

Wie erklärst Du Dir, dass es überhaupt Klimaschutz-Hater gibt?

Das liegt daran, dass die Leute Angst haben. Sie haben Angst vor Neuem, sie haben Angst davor, Wohlstand zu verlieren. Wir müssen den Menschen diese Angst nehmen. Klimaschutz heißt nicht: Wir gehen zurück in die Steinzeit.

Wie willst Du Menschen aus dem AfD-Umfeld erreichen, die den Klimaschutz absolut leugnen?

Reine Umwelt-Argumente bringen da nichts. Die bekommst du nur über ihren nationalen Egoismus. Ich sage denen: Wenn ihr keine Klima-Flüchtlinge im Land haben wollt, dann müssen wir in Afrika in Klimaschutz investieren.

Wie kann man als Privatperson zum Klimaschutz beitragen?

Auf der Seite vom Bundesumweltamt kann man seinen ökologischen Fußabdruck ausrechnen und an Klimaorganisationen spenden. Jeder kann Bäume pflanzen. Statt einem Blumenstrauß für 15 Euro zum Muttertag, könnte man für seine Mutter mit der App „Plant-for the Planet“ auch Bäume pflanzen.