Ideen haben Kraft
Am Wendepunkt
Dr. Tobias Hipp sprach am 29. November beim IHK-Talk auf der Zugspitze über die Folgen des Klimawandels für den Alpenraum. Der Naturschutz-Experte des Alpenvereins sagte im Interview mit IHK-Redakteur Martin Armbruster, warum es neue Konzepte für Bergsport und Tourismus braucht.
Herr Hipp, können wir die Gletscher noch retten?
Nein, dafür ist es zu spät. Das, was wir heute in den Bergen als Folge des Klimawandels schon erleben, ist das Werk der CO2-Emissionen der vergangenen 50 Jahre. Diese Schäden sind teilweise irrversibel. Zum Teil können wir aber schon noch Einfluss darauf nehmen, wie stark die Veränderungen in den Alpen ausfallen werden. Dafür müssen wir aber jetzt handeln.
Was heißt das denn konkret?
Ich hatte das vorhin während meines Vortrags anhand von zwei Kurven gezeigt. Das Entscheidende ist, dass die Durchschnittstemperatur in den Alpen doppelt so stark ansteigt wie im globalen Vergleich. Im globalen Mittel hat sich die Temperatur um 0,9 Grad erhöht, in den Alpen sind es aber schon fast 2 Grad.
Das klingt jetzt noch nicht sehr dramatisch.
Eine kleine Zahl mit großen Folgen. Der Temperaturanstieg seit der letzten großen Eiszeit, bei der vor rund 10.000 Jahren die Alpen unter großen Gletschermassen lagen, zu heute beträgt nur 4 Grad. Es genügt also schon ein kleiner Temperaturanstieg, um die Alpen völlig zu verändern. Die Gletscher werden verschwinden. Die Zeit, in der wir im Winter in den Bergen überhaupt keinen Schnee haben, wird sich verlängern: Wir reden da von vier bis sechs Wochen weniger Schneedecke bis Ende des Jahrhunderts. Die Schneedecke wird viel dünner werden. Wir spüren die Folgen auch im Sommer: Steinschlag nimmt zu, Wetterextreme häufen sich und die Gefahr von Wasserknappheit nimmt zu.
Wie positioniert sich vor diesem Hintergrund der Alpenverein?
Die Menschen für die Berge begeistern und gleichzeitig für die Notwendigkeit von Natur- und Klimaschutz sensibilisieren, das war schon immer unser Ziel: wir sind gleichzeitig Bergsport- und Umweltschutzverband Da gibt es gute Ansätze. Wir haben ja vorhin gesehen, dass die Mehrheit der Unternehmer in der Nachhaltigkeit einen Wettbewerbsvorteil sieht. Da tun sich Chancen auf, die wir nutzen müssen.
Jeder, der Bergsport betreibt, hat auch ein gewissen negativen Einfluss auf die Natur und das Klima.
Dem Alpenverein wird Heuchelei vorgeworfen. Kritiker sagen, der DAV trage mit dem Ausbau seiner Berghütten und der Wege zur Alpenzerstörung bei.
Für den DAV ist die Erschließung der Alpen abgeschlossen: es werden keine neuen Hütten gebaut und wir erhöhen auch unsere Kapazitäten nicht mehr. Unser Ziel ist, unsere Aktivitäten in den Bergen so umwelt- und klimafreundlich zu gestalten wie eben möglich. Jeder, der Bergsport betreibt, hat auch einen gewissen negativen Einfluss auf die Natur und das Klima, das ist richtig. Es geht uns also um die Frage, wie wir so umwwelt- und klimafreundlich wie eben möglich in den Bergen unterwegs sein können.
Und da hat sich der DAV klar positioniert. Wir wollen unerschlossene Räume und intakte Natur für Formen des sanften Tourismus und eine nachhaltige Entwicklung bewahren.Somit sind wir z.B. nicht per se gegen Skigebiete und Skitourismus, lehnen aber Neuerschließungen und weiteren Flächenverbrauch klar ab.Wir haben dazu gelernt. Naturschutz ist heute Kern unserer Öffentlichkeitsarbeit und unseres Marketings.
Würden Sie eine Spende von Shell, BP oder dem Betreiber eines Kohlekraftwerks annehmen?
Nein, da haben wir klare Positionen und Kriterien, wer für uns als Partner in Frage kommt. Nachhaltigkeits-, Klimaschutz- und Umweltschutzaspekte sind da mit dabei. So gehen wir z.B. keine Kooperationen mit Automobilfirmen mehr ein.
Was wollen Sie gegen eine milliardenschwere Freizeit- und Tourismusindustrie ausrichten?
Die Alpenvereine, also auch der Österrechische und Südtiroler Alpenverein, arbeiten im Umweltschutz eng zusammen und haben hier durchaus großen Einfluss. So konnten wir Alpenvereine vor Kurzem maßgeblich vor dem Bundesverwaltungsgericht dazu beitragen, dass einer großflächigen Skigebietsverbindung in Tirol die Genehmigung entzogen wurde. Wir waren bei der Anhörung fast die einzigen, die der Natur eine Stimme gegeben haben und sich gegen das Projekt ausgesprochen haben.
Wird sich das ändern, so lange die Werbung nur Skifahrer im hüfthohen Tiefschnee zeigt?
Das sind die Bilder, die wir sehen wollen, die Sehnsüchte auslösen. Ich nehme mich da nicht aus. Aber wie wir alle wissen, sieht die Realität heute für Pistenfahrer, Tourengeher und Freerider immer öfter anders aus.
Stehen die Sportartikel-Hersteller da nicht auch in der Verantwortung? Gibt es da erste Gespräche?
Die Sportartikel-Hersteller haben aus meiner Sicht sogar eine sehr große Verantwortung im Bereich Nachhaltigkeit. Dies betrifft v.a. die Verwendung nachhaltiger und umweltfreundlicher Materialen, z.B. für Outdoor-Bekleidung, einer fairen Produktion und die Einführung hoher Umweltstandards. Der DAV hat daher u.a. eine Kooperation mit VAUDE, die einen hohen Stellenwert auf eine nachhaltige und umweltfreundliche Produktion legen. Wir hoffen, dass wir als DAV die Entwicklung hin zu nachhaltig produzierter Outdoor-Bekleidung unterstützen können.
Sehen Sie die Chance, aus diesem Wachstumszwang auszubrechen?
Wir stehen an einem Wendepunkt. Ein „Weiter so wie bisher“ kann es in den Alpen nicht mehr geben. Und man sieht schon Zeichen des Wandels. Schauen Sie sich an, was für grüne Ziele die CSU jetzt verfolgt. Die Entscheidung, die Abänderung des Korrektur des Alpenplans wieder rückgängig zu machen, hat Strahlkraft bis nach Tirol hinüber.
Sie meinen das Aus für die geplante Skischaukel am Riedberger Horn im Allgäu?
Ja, ganz genau.
In Ihrem DAV-Magazin stand die Empfehlung, im Winter statt Ski Mountainbike zu fahren, falls zu wenig Schnee liegt. Sehen Sie darin eine Lösung?
Das ist absolut eine Möglichkeit seinen eigenen CO2-Footprintg zu reduzieren. Wir haben fast schon eine Erwartungshaltung im November oder Dezember auf die Ski zu steigen. Hat es keinen Schnee wird künstlich mit hohem Energieaufwand mit Schneekanonen nachgeholfen. Mit der Wahl unserer Aktivitäten können wir also schon auch die Entwicklung in den Alpen etwas mitgestalten und CO2-Emissionen reudzieren.Es ist nicht nachhaltig , mit immer mehr Technik und Energieeinsatz die Skisaison künstlich am Leben zu erhalten.
In den USA haben sich Freerider und Snowboarder zusammen getan, um mehr Klimaschutz zu fordern. Werten Sie das als ermutigend?
Natürlich, alles was hilft, Bewusstsein für die Notwendigkeit zum Klimaschutz zu schaffen, bringt uns weiter. Wir wollen mit allen Akteuren gemeinsam neue Konzepte für die Alpen erstellen. Wir suchen das Gespräch. Da ist jeder eingeladen mitzumachen.